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Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition)

Titel: Weltenfresser - Die Tränen der Medusa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sulz
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furchtbare Stimme klang abscheulich mitfühlend, als sie voll verderbten Humors die schwarzhaarige Frau bat, ihre wertvollen Tränen doch nicht zu vergeuden!
    Die Frau schluchzte verzweifelt. Immer hatte sie angenommen, ihr geliebter Mensch sei Opfer eines Monsters geworden, welches sich vor vielen Jahren in der menschlichen Hülle eines Kindes versteckt hatte. Welch furchtbarer Irrtum! Welch gewaltige Lüge!
    Niemals war dieser Mensch ein Opfer dunkler Mächte gewesen, niemals war der Mensch vor ihr nur eine leere Hülle gewesen. Nein, dieser Mensch war immer noch da, er war niemals verloren gewesen! Dieser Mensch hatte nicht nur alles mitangesehen, er war es selbst gewesen, der die Schnitte in ihr Fleisch verübt und dabei ein uraltes Ritual vollzogen hatte. Vor ihr stand kein Monster - es war niemand geringeres als derselbe Mensch, den die schwarzhaarige Frau einmal ihre Schwester genannt hatte. Es war immer ihre Schwester gewesen, welche die schwarzen Rituale vollzogen und dabei ihren Schmerz gierig in sich aufgesogen hatte. Und es war immer noch ihre Schwester, die nun mit einem Dolch das Ritual beenden würde. Ihre geliebte Schwester, mit dem goldenen Haaren...
    Die Schreie der Frau verhallten zwischen den schwarzen Mauern der unendlichen Korridore.
    Tyark taumelte zurück, in seinem Kopf toste es. Verwirrt blickte er sich um. Er stand an der Schwelle der Hütte, die entsetzliche Frau vor sich. Die Luft um ihn herum schien zu flimmern. Ihre leeren Augenhöhlen starrten ihn direkt an, er spürte eisige Dunkelheit herausströmen und in seinen Geist eindringen. Doch inmitten seiner Betäubung bemerkte er plötzlich, dass sie innegehalten hatte. Etwas, das die Frau , oder wer oder was auch immer sie war, schon lange nicht mehr gespürt hatte. Etwas Unerwartetes war geschehen, das wusste Tyark sofort.
    Der Traum, den er gehabt hatte, als sie ihn angeblickt hatte – es schien fast so, als hätte nicht nur sie in ihn geblickt, sondern als hätte er auch in sie blicken können. Diese Träume waren also niemals Träume gewesen, wie hatte er jemals zweifeln können? Goswin hatte die ganze Zeit Recht! Die Träume waren ein Fenster zur Seele dieses Dämons, sofern ein Dämon überhaupt so etwas wie eine Seele hatte. Und noch etwas Seltsames hatte Tyark gespürt: Die Träume gingen nicht einfach nur von der Medusa aus. Es schien vielmehr so, als wäre dort etwas, das ihm die Träume zusandte. Etwas war eingeschlossen in Träumen und wollte vielleicht sogar, das Tyark sie sehen konnte.
    Die Frau verschwamm kurz und stand dann plötzlich dicht vor ihm. Im nächsten Moment hatte sie ihre Hand um seinen Hals gelegt. Tyark konnte noch sehen, wie ihre Finger plötzlich widerlich lang und an den Fingerkuppen schwarz geworden waren. Die Hand war kaum noch menschlich zu nennen und glich mehr den Klauen, die Tyark an dem entsetzlichen Wesen in der Festung gesehen hatte.
    Tödliche Kälte floss durch seinen Hals und breitete sich in seiner Brust aus. Nägel wie Eiszapfen bohrten sich in seine Haut. Er schrie. Ein Rauschen erfüllte sein Ohr und die Welt um ihn herum wurde wieder dunkler. Betäubt konzentrierte er sich auf seine Hand, die immer noch das Schwert umklammert hielt. Dann spürte er wieder ihre Stimme in seinem Kopf.
    O mein kleiner Jäger. Du hast meine Träume gesehen! Wie haben sie dir gefallen? Ich spüre eine Krankheit in dir, Jäger. Die Krankheit einer Gabe, mit der dein schwächlicher Geist nichts anzufangen weiß. Aber verzage nicht, ich werde dich heilen. Ich werde dir die Krankheit aussaugen wie ein Gift. Denn ich liebe dich, Tyark. Ich will dich bei mir haben. Für immer.
    Ihre Kälte fraß sich in Bruchteilen eines Augenblicks in sein Herz. Dann stach Tyark mit letzter Kraft zu, doch der Hieb war schwach. Er spürte, wie seine Klinge in den Leib der Kreatur vor sich eindrang. Kälte kroch die Klinge entlang und schon bald wurde seien Hand taub.
    Die Frau flimmerte kurz und Tyark spürte, wie sie ihren eigenen Schmerz gierig in sich aufsog. Dann ließ er das Schwert los, welches im Leib der Kreatur vor ihm steckenblieb und langsam zu Schatten verschwamm.
    Kraftlos versuchte er, den Arm der Frau von seinem Hals loszulösen – doch seine Augen ließen sich nicht davon abbringen, in die schwarzen Höhlen im Schädel dieser Frau zu starren. Etwas Finsteres saß darin und starrte ihn an, fraß an seiner Seele. Seine Brust und sein Hals waren nun vollkommen taub, auch seine Arme konnte er kaum noch heben.

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