WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
zurück.“ Und ehe sie den Versuch unternehmen konnten, uns zu folgen und unser Leben um die Erfahrung versalzener Fischsuppe und übel riechenden Käses zu bereichern, waren wir auch schon auf dem Weg.
Nichtsahnend, welch unaussprechliche Schrecken er für uns bereithal -ten sollte.
„Da vorne ist eine Insel.“
Nikios` Geste folgend blickte ich aufs Meer hinaus. Dunkle Wasser-massen türmten sich in rhythmischen Abständen zu hohen Wellen auf, zwischen denen das kleine Fischerboot, das uns zu Kirkes Heimat bringen sollte, wie eine Nussschale hin- und hergeworfen wurde. Über uns kreischten die Vögel im Wind.
Ich verengte meine Augen zu schmalen Schlitzen, blinzelte ein paarmal gegen die Sonne und tatsächlich: Da war etwas. Ein Farbtupfer am Rande des Horizonts. „Wir haben unser Ziel fast erreicht“, rief ich aus. „Aiaia. Insel der Göttin Kirke. Ort der grausigen Gefahren. Eiland der absonderlichen Abscheulichkeiten. Atoll der …“
„Sieht wirklich klein aus“, stellte Nikios fest.
Ich funkelte die Nymphe böse an. „Störe mich nicht, wenn ich gerade einen heldenhaften Moment habe.“
„Verzeihung, oh große Leonira.“ Er grinste spöttisch.
Ich warf eine Sandale nach ihm.
Kirkes Heimstatt war ein grünes Paradies mit hohen Bäumen, die ihre Äste dem blauen Himmel entgegenreckten, duftenden Sträuchern und einem Meer von Blumen.
Nachdem wir in einer abgelegenen Bucht vor Anker gegangen waren und dem alten Fischer bedeutet hatten, auf unsere baldige Rückkehr zu warten, waren wir einem schmalen Pfad geradewegs ins Herz der Insel gefolgt.
Schweine, Schafe, Pfauen und Esel kreuzten unseren Weg. Eichhörn -chen huschten neugierig heran. Reptilien wärmten ihren schuppigen Leib in der Sonne. Und tief im undurchdringlichen, schwarzen Ge-strüpp lauerte der Blick raubtierhafter Augen.
„Die zauberkundige Kirke scheint ein Herz für Tiere zu besitzen“, stellte ich fest und hielt im Laufen inne, um einen Nerz zu streicheln, der um meine Beine strich.
Nikios schwieg. Seine Augen waren angstvoll auf einen massigen Tiger gerichtet, der ihn taxierte wie ein Kind, das gerade sein Lieblingsspiel-zeug entdeckt hatte. Geistesgegenwärtig zog ich meine Klinge, bereit es mit dem Monstrum aufzunehmen. Da machte das Tier plötzlich einen gewaltigen Satz nach vorne, begrub die zu Tode erschrockene Nymphe unter sich und fuhr ihr mit seiner rauen Zunge über das Gesicht.
„Also, das ist seltsam.“ Verwundert ließ ich mein Schwert zurück in die Scheide gleiten.
„ Seltsam ?“ Nikios schüttelte sich angewidert und strich Tigerspeichel aus seinem Haar. „Ich werde nie wieder sauber sein.“
Wir fanden Kirkes Palast auf einer Waldlichtung, ein prächtiges An -wesen, auf dessen Schwelle zwei marmorne Löwen wachten. Rings umher in einem weitläufig angelegten Garten thronten weitere Statuen. Ich sah Eber, Hirsche und Wölfe, bestaunte stolze Pferde und zähne-fletschende Affen. Lilien und Seerosen zierten einen kleinen Teich, der gesäumt wurde von den Skulpturen wilder Meereskreaturen.
Kirke selbst, eine braungelockte Schönheit, ruhte in einer schwimmen -den Laube. Ein seichtes Gewand umspielte ihren Körper. Umgeben war sie von einem Schwarm blauer Libellen.
Aus dem Dickicht heraus beobachteten wir, wie sie sich zu einem Fasan hinabbeugte, der zu ihren Füßen hockte. In ihrer Hand glitzerte ein kristallenes Fläschchen. Lächelnd besprengte sie das Tier mit ein paar Tropfen des flüssigen Inhalts und unter unseren verwunderten Augen verwandelte sich der Fasan in einen ausgewachsenen Mann. „Was hast du mir zu sagen?“ Die Zauberin ließ sich zurück in ihre Kissen sinken.
Der Mann wedelte hektisch mit den Armen, als besäße er noch immer Flügel, und stieß einen spitzen Schrei aus. Nur langsam formten seine Lippen verständliche Worte: „Bitte, lass uns gehen! Wozu können wir dir schon nützlich sein? Wie sind doch nur arme Fischer.“
„Aber, nein, ihr seid die Zierde meiner Insel.“ Die Göttin schüttelte den Kopf. „Ich kann euch unmöglich gehen lassen, wo ihr mir doch so viel Freude bereitet.“ Sie lachte ein glockenhelles Lachen.
Der Mann versuchte, von der dahintreibenden Plattform zu entkom -men, aber die schnelle Berührung ihres Zauberstabes kehrte die selt-same Metamorphose um und ließ ihn binnen Sekunden wieder zu einem Vogel zusammenschrumpfen. Zufrieden strich Kirke über sein schillerndes Gefieder und summte ein leises Lied.
„Sie hat die Fischer in Tiere
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