WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
kam.
Beruhigend küsste er ihr den zarten Schweißfilm von der Stirn, bis die Schneekönigin wieder zu Atem kam. Ihre Augen starrten ihn groß und fragend an. So lebendig, dass Kai sie gleich noch einmal küssen wollte. „Ich liebe dich“, raunte er ihr zu und genoss ihr Staunen. Wie viele Jahrtausende sie auch schon erlebt haben mochte, nun wirkte sie schüchtern wie ein junges Mädchen. Ihre Wangen waren rot, ihre Lippen sanft geschwollen und ihre Augen sahen ihn an, als hätte sie zum ersten Mal erfahren, was fleischliche Lust war. Aber er würde sie nicht danach fragen. Stattdessen widerholte er: „Iárann, hast du verstanden? Ich liebe dich.“
Ein trauriges Lächeln umspielte ihren zarten Mund. „Ich … liebe dich …“, wiederholte sie zaghaft, als wären die Worte so ungewohnt, dass sie sie erst probieren musste.
Kai strich ihr gerade das Haar aus dem Gesicht, als ein lautes Krachen ertönte. Blitzschnell fuhr er herum, schob die Schneekönigin hinter sich.
Iárann lächelte leicht über diese Geste, war sie doch um etliches stärker als ein Sterblicher. Trotzdem ging ihr das Herz auf, gerade weil Kai sie wie eine Frau, nicht wie eine vom Alten Volk behandelte.
Das Krachen und Scheppern nahm zu, bis plötzlich etwas die eisigen Wände des Palastes durchbrach. Splitter und gefrorene Zapfen regn eten auf sie nieder, als die Wand einstürzte, begraben unter etwas, das einem klapprigen Segelflieger glich.
Kai runzelte die Stirn, als zwei vermummte Gestalten herauskletterten.
Zögernd starrte die Schneekönigin das Flugobjekt an, das ihren Palast demoliert hatte. Dann lächelte sie erheitert. Sie wusste nicht, warum, aber es kam ihr amüsant vor, als die beiden Sterblichen auf sie zu-kamen.
Eine der beiden Menschen schob seine Kapuze zurück Gerdas vor Wut leuchtendes Gesicht kam zum Vorschein.
„Was glaubst du eigentlich, was du hier machst?“, blaffte sie ihren Br uder an. „Mit dieser … dieser … dieser Fee?“
Das zornige Gesicht ließ vermuten, dass ihr ein anderer Begriff auf der Zunge lag, aber Kai ignorierte es und fauchte zurück: „Was ich hier mache? Was tust du? Du hast Iáranns Palast zerstört!“ Wild mit den Armen fuchtelnd deutete er auf das Flugzeug.
Gerdas Begleiter in schob nun ebenfalls ihre Kapuze zurück und nickte entschuldigend.
„ Das war keine Absicht“, krächzte die alte Frau. Sie warf einen Blick auf Iárann und Kai, dann drehte sie sich grinsend zu Gerda. „Ich glaube kaum, dass dein Bruder wieder mit dir nach Hause will.“
Gerda zog ominös die Brauen zusammen. „Oh doch …“
Die Alte keckerte hämisch. „Mädchen, siehst du nicht, dass die Schnee-königin ihn zum Mann gewählt hat?“
Ungläubig schnappte Iárann nach Luft. „Was? Ich habe nicht …“
„Papperlapapp“, schnappte die Alte, „natürlich hast du. Du wirst schon selbst sehen.“
Ohne auf Kai zu achten, der sie schützend in die Arme nahm, erwiderte die Schneekönigin: „Woher sollte eine Sterbliche davon wissen?“
Die alte Frau hob belustigt die Brauen. „Sterbliche? Sieh noch mal genau hin, Kindchen. Ich weiß mehr, als du denken magst.“
Iárann schluckte, während Gerda die Augen verdrehte. „Was soll das heißen? Woher willst du wissen, was diese … diese Fee …“, wieder spuckte sie das Wort feindselig aus, „… macht oder nicht macht.“
„Weil ich selbst eine vom Alten Volk bin, was glaubst du denn? Und so heißt es, dass das Schicksal der Kalten Fee …“, sie hob die Brauen, „… also die da“, damit zeigte sie auf Iárann, „… einen Gefährten schenkt, der ein Herz aus Eis und den Kalten Blick sein Eigen nennt.“
„Aber Kai hat kein Herz aus Eis“, protestierte Gerda, worauf die Alte missbilligend mit der Zunge schnalzte. „Die Splitter, dummes Mäd-chen. Die Scherben vom zerstörten Spiegel. Sie haben Kai erwählt. Durch sie kann die Kalte Fee ihn berühren, ohne dass er zu Eis erstarrt. Und durch sie wird er die Kalte Fee in seiner Wärme bergen, bis der letzte Tag anbricht.“
„Das heißt, sie bringen ihn nicht um?“, hauchte die Schneekönigin hoffnungsvoll.
Die Alte verdrehte die Augen. „Natürlich nicht.“
Gerda sah sprachlos zu Kai und Iárann. „Und er wird ewig leben. Mit dieser … Fee.“
„Bis zum letzten Tag eben“, wurde ihr bestätigt. „Es war ihm be-stimmt, von der Schneekönigin gefunden zu werden. Und ihr war es bestimmt, ihn zu finden.“
Gerda runzelte die Stirn. „Aber Großmutter sagte …“
„Deine
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