Weltraumpartisanen 19: Astropolis
Wortschwall.
»Um den Preis seiner Unfruchtbarkeit!« sagte ich. »Um den Preis der zerstörten Gefühle! Der Preis ist zu hoch. Was ist das für eine Welt, die in den Köpfen von euch Warrianern spukt? Die Stille eines Friedhofs wird die Erde überziehen. Kein Kinderlachen mehr, keine Gemeinsamkeit junger Leute …«
Grahams Zeigefinger stieß vor.
»Du sagst es. Kein Kinderlachen mehr. Damit ist es vorbei. Die Menschheit ist an jenem kritischen Punkt angelangt, an dem sie ihr Wachstum einstellen muß, um nicht an sich selbst zu ersticken. Bei euch in der Fliegerei nennt man das, glaube ich, den point of no return – die Schwelle, hinter der man nicht mehr zurückkehren kann. Aber noch ist es Zeit.«
»Zeit wozu?«
»Mark, begreifst du das denn nicht? Warren hat in seinen Voraussetzungen zum Überleben das ganze Dilemma aufgezeigt: Eine überschwappende Menschheit, Hunger, Seuchen, Armut, der tägliche Kampf um ein Stückchen Brot – und die daraus aufflammenden Kriege. Doch zugleich hat er uns die Lösung gewiesen …«
»Die Tarassenkosche Spritze!« unterbrach ich. »Die Patentlösung. Ganz einfach.«
»So ist es, Mark – auch ohne Hohn und Spott! Die Spritze schafft sowohl die Krankheit als auch den Tod aus der Welt. Du magst mir entgegenhalten: Unfälle wird es immer geben. Zugegeben – das stimmt, aber auch dagegen wird man ein Mittel finden. Aber die Zeiten, in denen der Mensch an Krankheiten oder Altersschwäche sterben mußte – diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Und der Preis für dieses Geschenk des Himmels? Der Mensch verzichtet auf seine Vermehrung! Ein bescheidener Preis.«
Ich stieß den Türriegel zurück.
»Gil, du kennst meine Antwort. Noch einmal, zum letztenmal, der Preis ist zu hoch.« Graham packte mich am Ärmel. »Mark, um unserer alten Freundschaft willen – überleg es dir! Wenn die große Impfung einsetzt, wird es immer ein paar Unbelehrbare geben, über die man zum Wohle der Gesamtheit hinwegschreiten muß – alle diese Wronskis und Bellindas. Wenn du dich heute zu ihrem Trauzeugen machst, legst du dich fest – und es könnte sein …«
Er brach ab.
»Was könnte sein, Gil?«
Der Blick, mit dem er mich musterte, war eine Kampfansage.
»Es könnte sein«, nahm er den Faden wieder auf, »daß sich dann gewisse Leute nicht länger im Zaum halten lassen. Ich bin nicht allmächtig, Mark, und nicht allgegenwärtig.«
Die Drohung war unmißverständlich.
Ich zog die Tür auf – und zugleich vollzog ich jene leichte Drehung, die mich in die Lage versetzen sollte, ihn aus dem Stand heraus anzuspringen. Graham gehörte hinter Schloß und Riegel.
»Gil, das Tarassenkosche Serum hat nichts getaugt – und es wird nie etwas taugen!«
Graham wich plötzlich einen Schritt zurück und steckte die rechte Hand in die Tasche seines Kittels.
»Mark, ich habe den Fehler gefunden. Es war wirklich nur eine Winzigkeit. Mein Serum, du wirst es erleben, wird die Welt erlösen.«
Irgendwo in der Tiefe der Klimazentrale klappte eine Tür. Schwere Schritte kamen näher. Graham bewegte den Kopf. Die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte, war da. Ich schnellte vorwärts.
Ich sah gerade noch, wie Graham eine grünliche Phiole aus der Tasche zog und mir vor die Füße warf. Ich hörte sie klirren. Dann schwanden mir die Sinne.
Irgendwann kam ich zu mir. Mein Kopf schmerzte, mir war übel, und auf meinen Lippen lag ein süßlicher Geschmack. Graham war fort.
Um 18.05 Uhr Astropolis-Zeit war ich als Zeuge zugegen, als im Cockpit Lieutenant Jaroslaw Wronski die Ehe mit Bellinda Bell einging.
Der Standesbeamte erledigte die Formalitäten. Pater Georgius segnete den Bund ein.
Seine Stimme klang bewegt, als er sagte: »Gesegnet sei, was sich vor Gott dem Herrn zusammenfindet.«
Lieutenant Mobuto und ich setzten die Unterschriften unter das Heiratsdokument.
Lieutenant Wronski preßte meine Hand.
»In meiner Heimat, Sir, pflegen wir noch immer den Brauch, daß der Trauzeuge die Braut nun küssen darf.«
Bellindas Antlitz war überpudert vom Diamantstaub des feierlichen Lichts, das von fremden, nie betretenen Welten herrührte. Ich küßte sie auf die errötende Wange und las in ihren Augen den Schwur, ihrem Jaroslaw, bis daß der Tod sie voneinander schiede, eine gute Frau zu sein.
Vor dem Kommandopult ließ Lieutenant Mobuto den ersten Champagnerkorken springen.
6.
Lieutenant Wronski räumte das Quartier im Turm und bezog eine Wohnung in der City. Mehr änderte sich nicht.
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