Weltraumpartisanen 21: Blindflug zur Schlange
wissenschaftliche Spekulation sah in ihm das Trümmerstück einer astralen Katastrophe, die vor undenkbar langer Zeit stattgefunden haben mußte. Seitdem kreiste er, ein unnützer Störenfried, auf stark exzentrischer Bahn zwischen Mars und Saturn. Die Tage, an denen er die gefahrenen Schifffahrtsstraßen schnitt, standen fest; meist jedoch verdämmerte er seine fruchtlose Existenz in der Abgeschiedenheit ferner, vom Verkehr unberührter Himmelräume. In den fünfziger Jahren hatte es einmal den Plan gegeben, ihn als militärischen Stützpunkt und Ausgangsbasis für eine eventuelle Okkupation des Mondes zu nutzen, die Exzentrik seiner Bahn jedoch sprach dagegen, und das Vorhaben wurde ad acta gelegt. Ein letztes Mal betrachtete ich Hidalgo durch das Bikolar.
An Landeplätzen herrschte auf ihm kein Mangel. Das Fadenkreuz wanderte über geschliffene Ebenen und fußballfeldgroße Plateaus, auf denen ein Schiff bequem und sicher aufsetzen konnte. In den letzten Stunden der Annäherung war es mir fast zur Gewißheit geworden, die Florence Nightingale hier vorzufinden. Und in der Tat: falls es wirklich darum gegangen wäre, eine Reparatur am Impulsregler vorzunehmen, wäre dies weit und breit der einzige geeignete Ort gewesen. Er bot einem festen Stand unter den Füßen, um den Montageschacht mit aller gebotenen Sorgfalt hermetisch abdichten und hernach mit vorgewärmter Preßluft füllen zu können: Voraussetzung für den L.I., um sich, unbehindert durch die klobige Raumkombination, in die nur sechzig Zentimeter starke Röhre zu zwängen.
Die drei Umkreisungen, die ich hatte durchführen lassen – horizontal, vertikal und diagonal –, setzten hinter meine Hoffnung den negativen Schlußpunkt. Hidalgo war wüst und leer und ohne eine Spur von Captain Romen und seinen Männern.
Im Lautsprecher erklang Lieutenant Xumas Stimme: »Sir …«
Ich fuhr das Bikolar ein und drückte die Taste.
»Ja.«
Lieutenant Xumas Eröffnung besiegelte meine Niederlage. Sie zwang mich einzugestehen, daß ich mit meinem Latein am Ende war.
»Sir, bis auf Sie und Captess Kato sind alle versammelt.«
Einen Atemzug fühlte ich mich versucht, die Besprechung abzusagen. Sie war von Lieutenant Xuma angesetzt worden unter Berufung der Artikel l und 3 des Bordgesetzbuches (UGzRR). Der Paragraph lautete: Im Gefahrenfall hat jeder Rettungsmann die gleiche Stimme.
Von einem Gefahrenfall für die Henri Dunant konnte nicht die Rede sein.
Ich wies die Versuchung zurück. Die Männer machten sich um das Schicksal der Florence Nightingale nicht weniger Sorgen als ich. Der Anstand gebot mir, ihre Argumente zumindest anzuhören.
»Roger, Lieutenant Xuma. Wir wollen Sie nicht warten lassen.«
»Aye, aye, Sir.«
Captess Kato warf die Gurte ab und folgte mir hinüber in die Messe, wo die vier Lieutenants bereits versammelt waren.
Ich suchte mir einen Platz. Mein Blick wanderte über mir wohlbekannte, treue, zuverlässige Gesichter. Mit einer Meuterei hatte diese Besprechung wahrhaftig nichts zu tun; dennoch beschnitt sie meine Befugnisse als Commander.
Lieutenant Xuma, zusammen mit dem Navigator einer von der alten Garde, mit der ich im Auftrag der VEGA die letzten großen Expeditionsflüge ausgeführt hatte, führte das Wort. Er tat dies mit allem erforderlichen Respekt.
»Sir«, sagte er, »wir wollen die Dinge beim Namen nennen. Die Zeitungen sprechen vom Nirwana-Phänomen, aber wir alle, die wir hier versammelt sind, wissen, daß das ein leeres Schlagwort ist. Ein Schiff verschwindet nicht – jedenfalls nicht, indem es sich von heute auf morgen in Nichts auflöst. Stimmen Sie mir zu, Sir?«
Ich ging zum Gegenangriff über. Auch ich hatte mich, als ich die Suche nach der Florence Nightingale aufnahm, von nüchternen Überlegungen leiten lassen.
»Vollkommen, Lieutenant. Und das ist auch der Maßstab, den ich Sie an meine Suche nach der Florence Nightingale anzulegen bitte. Sie ist verstummt – zugegeben. Wir wissen nicht, wo sie steckt – zugegeben. Aber wir alle sind davon überzeugt, daß sie gefunden werden kann.«
Lieutenant Xuma hob die schwarze Hand.
»Richtig, Sir. Diesbezüglich stehen wir unerschütterlich hinter Ihnen. Nur sind wir der Ansicht, daß es nicht darauf ankommt, sie zu finden, sondern vor allem, sie rasch zu finden. Eine Han-WuTi -Tragödie darf sich nicht wiederholen.«
Für meinen Geschmack redete Lieutenant Xuma um den Brei herum. Die Besprechung war nicht anberaumt worden, um mich an das neptunische
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