Weltraumpartisanen 31: Geheimsache Wetterhahn
ich werde dir seinen Namen nicht nennen. Aber ich weiß, daß du ihn schätzt.«
Brandis war müde. Er spürte, daß er im Begriff war, gereizt zu reagieren.
»Na schön«, sagte er. »Und worum geht’s?«
»Du wirst es erfahren.« Ruth legte eine Hand auf sein Knie – eine Geste der Beschwörung. »Mark, du bist zu lange nicht hier gewesen. Du bist nicht auf dem laufenden. Bitte, hab Vertrauen, wenn ich dir sage: Ich weiß, daß du müde bist, ich weiß, daß wir kaum Zeit haben werden füreinander, und ich schleppe dich nicht aus schier Schandudel irgendwohin. Es ist wichtig.«
Brandis schloß die Augen.
Das Nordufer von Metropolis war ein Stück Pionierzeit geblieben – unfertig vor allem deshalb, weil man, wenn es irgendwann einmal um eine Erweiterung des städtischen Areals ginge, auf die unterseeischen Kasematten und Kavernen angewiesen sein würde, die zum Teil bis auf den Grund des Atlantischen Ozeans reichten.
Dies war jener Teil von Metropolis, auf dem man dem urbanen Kunstgebilde gewissermaßen unter den Rock sehen konnte.
Die Pläne für die Stadterweiterung verstaubten irgendwo, und das Nordufer blieb ungenutzt und wurde nur gelegentlich aufgesucht von auf Anregung bedachten Stadtbauarchitekten. Früher einmal war das Gelände kartographiert gewesen, doch nun, nachdem im Bürgerkrieg alte Meßpläne ein Raub der Flammen geworden waren, ließ es sich nur noch als gefährliche Baustelle bezeichnen. Und deshalb war es zur Stadt hin durch einen elektronischen Zaun gesichert, der spielende Kinder ebenso fernhielt wie Penner und lichtscheues Gesindel.
Die Libelle erreichte das Ufer von der Seeseite, schwebte tiefer und setzte auf einem verkrauteten Gelände auf. Die Rotoren kamen zum Stillstand.
»Wir sind da!« sagte Ruth.
»Großartig!« sagte Brandis. »Und wie heißt das Stück, das hier gespielt wird?«
Das Gelände, auf dem die Libelle parkte, setzte sich plötzlich mit gedämpftem Knarren abwärts in Bewegung.
Brandis begriff: Ruth hatte den Helikopter auf der überwachsenen Plattform eines alten Lastenaufzugs aufgesetzt, der vor einem halben Jahrhundert dazu gedient hatte, die Bauelemente für die neue Hauptstadt nach oben zu befördern, welche von den U-Frachtern rund um die Uhr aus allen Teilen der EAAU herangeschafft wurden. Während der Aufzug abwärts ratterte, tauchte die Libelle ein in die Dunkelheit eines unergründlichen Schachts.
Im matten Licht der Armaturen sah Ruth O’Hara plötzlich aus wie eine fremde Frau. Selbst ihre Stimme klang anders, hart und spröde.
»Mark, das ist kein Spiel! Ich wollte, es wäre eins. Ich wollte, man könnte endlich in Frieden leben – ganz einfach so. Aber wenn man den Konsul gewähren läßt …«
Sie verstummte mitten im Satz. Auch Brandis schwieg. Die bittere Erkenntnis machte ihm zu schaffen, daß zwischen ihm und Ruth etwas in die Brüche zu gehen drohte. Weshalb eigentlich? Weil Ruth kein Gespür dafür aufbrachte, daß er genug zu tragen hatte am Verlust von sechs wertvollen Frauen und Männern, einer kompletten Besatzung? Daß er, den Kopf voller organisatorischer Probleme, weiter nichts wünschte, als ein paar Stunden auszuspannen? Weil Ruth nicht verstand, daß er mit dem politischen Unrat der EAAU nichts mehr zu tun hatte. Und auch nichts mehr zu tun haben wollte.
Wenn die Leute mit der Freiheit, in der sie lebten, nicht zurechtkamen – wer außer ihnen war daran schuld? Der Konsul stand in der Gunst der Massen. Er war ein Ehrgeizling – das waren andere auch. Die Methoden seiner Herrschaft waren nicht zimperlich – aber er sorgte für volle Bäuche. Welchen Sinn mochte es haben, ihn einen Verbrecher zu nennen, wenn er doch, wie es in der Mediensprache neuerdings hieß, den Himmel auf seiner Seite hatte? Brandis pries sich glücklich, daß er von all dem nicht betroffen war. Die Welt unter den Sternen, in der er sonst lebte, war noch in Ordnung … Brandis preßte unwillig die Lippen aufeinander.
»Mark«, brach Ruth das lastende Schweigen, »es muß etwas geschehen.«
»Und was, Ruth?«
Ruths Hand berührte die seine. Es war wie die Suche nach alter Vertrautheit.
»Du wirst es sofort erfahren.«
Der Aufzug hatte die Sohle erreicht, den erleuchteten Stollen, in die früher die U-Frachter eingelaufen waren, um ihre Fracht zu löschen. Das Wasser im Kanal war schwarz und unbeweglich. Brandis wandte den Kopf, als er den Mann gewahrte, der wartend auf der Kaimauer stand.
»Major Tuomi?«
»Er leitet den Widerstand.«
Es
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