Weltraumzirkus d'Alembert 6-10 - Letzter Einsatz

Sonne weiter entfernt als Des Piaines und besaß daher ein viel rauheres Klima. Ein Dreivierteljahr herrschte Winter und Schnee, und selbst am Äquator stieg die Temperatur im Hochsommer nicht über fünfundzwanzig Grad, wahrlich eine Welt, in der die Menschen ein elendes Leben fristeten, und die Puritaner erhoben das Leiden zu einer Kunst.
    Jede Religion bringt asketische Sekten hervor. Als sich daher die Kunde von der Gründung Puritys verbreitete, strömten von überall her Abtrünnige herbei. Kritiker der damaligen Zeit, und seither noch etliche, haben nicht versäumt, hervorzuheben, welch gutes Werk die Puritaner getan hatten, als sie alle Fanatiker an einem Ort versammelten, so daß diese den anderen nicht mehr lästig fallen konnten. Die Religion selbst, die zu Anfang starke jüdisch-christliche Züge aufgewiesen hatte, nahm bald Kennzeichen anderer Glaubensrichtungen an, als die verschiedenen Bekenntnisse der Neuankömmlinge hier Wurzeln schlugen. Das Asketentum der Hindus vermischte sich mit Glaubenssätzen der Sufi, und darüber wieder lagerte sich eine Prise Yoga, so daß man schließlich sagen konnte, der moderne Puritanismus ginge nicht allein auf einen einzigen Vater zurück. Es herrschte der Glauben an einen Rächergott, an Erlösung durch Leiden und an die Tugenden der Selbstdisziplin.
    Die Einwanderer wurden nun immer spärlicher, während die galaktische Zivilisation an Reife gewann. Heutzutage waren praktisch alle Puritaner in ihren Glauben hineingeboren und hatten gar keine andere Wahl gehabt, und manche mußten entdecken, daß sie mit den Anschauungen der Mehrheit überhaupt nicht übereinstimmten. Immer häufiger sah man Expuritaner die Galaxis durchstreifen und ins andere Extrem verfallen. Meist wurde aus ihnen ebenso begeisterte Hedonisten.
    Die große Masse der Puritaner aber begnügte sich damit, auf den Lorbeeren ihrer Selbstgerechtigkeit auszuruhen und zuzusehen, wie der Rest der Menschheit auf die Hölle zusteuerte. Dies war ein ständig erwartetes Ereignis, auf das sie allerdings bislang dreieinhalb Jahrhunderte hatten warten müssen.
    Noch vor der Landung schlüpften Pias und Yvette in die ortsübliche Gewandung und machten sich bereit, von Bord zu gehen. Beide steckten nun in dicken hemdartigen, fürchterlich kratzenden Kutten, die aus der Faser irgendeiner auf Purity gedeihenden Pflanze hergestellt wurde. Pias trug dazu dunkelbraune Hosen aus einem anderen, aber ebenso kratzenden Material, während Yvette einen einfachen braunen Rock dazu hatte, der bodenlang war. Beide trugen an den Füßen klobige braune Treter, aus dem Leder eines einheimischen Tieres hergestellt. Um das Leiden zu vertiefen, lehnten die Puritaner das Tragen von Unterwäsche ab. Es gab weder Socken noch Mäntel oder Kopfbedeckungen, und das trotz der bitterkalten Temperaturen. Das wäre nach hiesigen Maßstäben schon zu weich gewesen.
    Im Inneren des Raumflugterminals sah Pias sich um und nahm die Menschen ein wenig in Augenschein. Alle waren sie gekleidet wie er und Yvette. Nirgends sah er ein Lächeln, ein freundliches Augenzwinkern oder irgendein Anzeichen menschlicher Wärme. »Hier kommt der Trübsinn wohl nie aus der Mode, stimmt's?« sagte er, obgleich er nach dem, was er über den Planeten gelesen hatte, ja nichts anderes erwarten durfte.
    »Du solltest sie mal sehen, wenn sie nicht angezogen sind«, gab Yvette zurück.
    Eine Unterkunft war rasch gefunden. Sie mieteten sich in einer kleinen Pension unweit des Zentrums von God's Will City, der Hauptstadt von Purity, ein. Ihr Zimmer war winzig und enthielt nur das Nötigste. Die rissigen Wände waren bar jeglichen Schmuckes mit Ausnahme eines gestickten Spruches in einem windschiefen Rahmen. ›Opfer bereiten den Weg zum Himmel‹ hieß es da. Das schmale Bett bot kaum Platz für zwei Schläfer und wies außer steifen Decken nur kleine Holzblöcke auf, die als Kissenersatz dienten. Ein Stuhl und ein kleiner Schreibtisch mit einer Ausgabe der puritanischen Bibel darauf waren die einzigen Möbelstücke.
    Pias setzte sich ermattet aufs Bett und bereute sein Tun auf der Stelle. »Autsch!« rief er aus und rieb sich die Kehrseite. »Dieses Bett wurde nicht gemacht, es wurde aus dem Fels gemeißelt. Wir werden auf dem blanken Boden wahrscheinlich besser schlafen.«
    Yvette setzte sich mit größerer Vorsicht. »Unsinn. Deinem Rücken wird es guttun.«
    »Und wie drehen wir hier die Heizung auf?«
    Yvette blickte sich um, konnte aber nirgends einen Schalter oder