Wem die Stunde schlaegt
erzählt.«
»War er oben?«
»Wieso nicht?« sagte Fernando stumpfsinnig. »Gleich wie die Kavallerie weg war, ist er zu dem Hügel hinaufgegangen.«
»Er hat euch erzählt –«
»Er hat uns alles erzählt«, sagte Fernando. »Das sind Barbaren, die Faschisten! Alle diese Barbaren müssen wir in Spanien ausrotten.« Er unterbrach sich und sagte dann erbittert: »Ihnen fehlt jeder Begriff von Würde.«
Anselmo lächelte im Dunkeln. Noch vor einer Stunde hätte er sich nicht vorstellen können, daß er jemals wieder lächeln würde. Ein Kauz, dieser Fernando! dachte er.
»Ja«, sagte er zu Fernando. »Wir müssen es ihnen beibringen. Wir müssen ihnen die Flugzeuge wegnehmen, ihre Schnellfeuerwaffen, ihre Tanks, ihre Artillerie, und ihnen Würde beibringen.«
«Richtig«, sagte Fernando. »Es freut mich, daß du derselben Meinung bist wie ich.«
Anselmo ließ ihn mit seiner Würde allein und ging weiter zur Höhle hinunter.
XXIX
Als Anselmo in die Höhle kam, saß Robert Jordan an dem Brettertisch, und ihm gegenüber Pablo. Sie hatten einen Napf voller Wein zwischen sich stehen, und jeder hatte eine Tasse Wein vor sich auf dem Tisch. Robert Jordan hatte sein Notizbuch hervorgeholt und hielt einen Bleistift in der Hand. Pilar und Maria saßen ganz hinten in der Höhle und waren nicht zu sehen. Anselmo konnte nicht wissen, daß Pilar das Mädchen beiseite geführt hatte, damit sie das Gespräch nicht höre, und er fand es sonderbar, daß Pilar nicht am Tisch saß.
Als Anselmo unter der Decke hereintrat, die vor dem Eingang hing, blickte Robert Jordan auf. Pablo blickte starr auf den Tisch nieder. Seine Augen waren auf den Weinnapf geheftet, aber er sah ihn nicht.
»Ich komme von oben«, sagte Anselmo zu Robert Jordan.
»Pablo hat uns alles erzählt«, sagte Robert Jordan.
»Es liegen sechs Tote auf dem Hügel, und sie haben ihnen die Köpfe abgeschnitten«, sagte Anselmo. »Ich war im Dunkeln dort.«
Robert Jordan nickte. Pablo saß da, starrte den Weinnapf an und schwieg. Seine Miene war ausdruckslos, und seine kleinen Schweinsaugen starrten den Weinnapf an, als ob er noch nie einen gesehen hätte.
»Setz dich«, sagte Robert Jordan zu Anselmo.
Der Alte setzte sich auf einen der lederbezogenen Schemel, und Robert Jordan langte unter den Tisch und holte die Whiskyflasche hervor, El Sordos Geschenk. Sie war noch ungefähr halb voll. Robert Jordan nahm eine Tasse, die abseits auf dem Tisch stand, goß einen Schluck Whisky hinein und schob sie über den Tisch zu Anselmo hin.
»Trink das, Alter!« sagte er. Pablo blickte von dem Weinnapf zu Anselmos Gesicht auf, dann wanderte sein Blick zu dem Weinnapf zurück.
Als Anselmo den Whisky hinunterschluckte, fühlte er ein Brennen in der Nase, in den Augen und am Gaumen und dann eine lustige, behagliche Wärme in seinem Magen. Er wischte sich mit dem Handrücken die Lippen ab. Dann sah er Robert Jordan an und fragte: »Kann ich noch einen Schluck haben?«
»Warum denn nicht?« fragte Robert Jordan und goß abermals etwas Whisky in die Tasse, und diesmal reichte er sie Anselmo, statt sie ihm hinzuschieben.
Diesmal spürte Anselmo kein Brennen mehr, aber eine um so behaglichere Wärme. Der Whisky tat seiner Stimmung wohl, wie die Salzinjektion einem Menschen wohltut, der einen schweren Blutverlust erlitten hat.
Er blickte wieder zu der Flasche hin.
»Der Rest ist für morgen«, sagte Robert Jordan. »Was hat sich auf der Straße ereignet, Alter?«
»Der Verkehr war ziemlich stark«, sagte Anselmo. »Ich habe alles notiert, wie du es mir gezeigt hast. Ich habe jetzt eine dort, die für mich aufpaßt und alles notiert. Später gehe ich hin und lasse mir von ihr Bericht erstatten.«
»Hast du auch Tankabwehrgeschütze gesehen? Die auf Gummireifen, mit den langen Rohren?«
»Ja«, sagte Anselmo. »Vier Lastautos sind vorbeigekommen, und auf jedem von ihnen war so ein Geschütz mit Fichtenzweigen über dem Lauf. Und bei jedem Geschütz waren sechs Mann.«
»Vier Geschütze, sagst du?« fragte Robert Jordan.
»Vier«, sagte Anselmo. Er sah gar nicht in seine Notizen.
»Berichte, was sonst noch vorbeigekommen ist.«
Während Robert Jordan sich Notizen machte, erzählte ihm Anselmo genau, was er alles auf der Straße hatte vorüberfahren sehen. Er berichtete von Anfang an, schön der Reihe nach, mit dem wunderbaren Gedächtnis des Analphabeten, und zweimal, während er erzählte, füllte Pablo seine Tasse mit Wein. »Und
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