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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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 Es lebte keiner mehr außer dem jungen Joaquín, der bewußtlos unter dem Leichnam Ignacios lag. Er blutete aus Nase und Ohren. Er wußte nichts mehr und fühlte nichts mehr, seit er plötzlich mitten in das Donnergetöse geraten war und eine dicht neben ihm krepierende Bombe ihm den Atem verschlagen hatte, und Leutnant Berrendo bekreuzigte sich und schoß ihm dann in den Hinterkopf, so rasch und so sanft – wenn man eine so jähe Bewegung sanft nennen kann –, wie El Sordo den verwundeten Gaul erschossen hatte.
 Leutnant Berrendo stand auf dem Gipfel des Hügels, blickte den Hang hinunter zu den eigenen Toten, und dann wanderte sein Blick ins Freie hinaus, zu dem freien Gelände, über das sie hinweggaloppiert waren, bevor El Sordo sich hier zum Kampf gestellt hatte. Er prägte sich die von der Truppe getroffenen Dispositionen ein, und dann befahl er, die Pferde der Gefallenen heraufzuholen und die Leichen auf die Sättel zu binden, um sie nach La Granja zu schaffen. »Den da nehmt auch mit«, sagte er. »Den da, der die Hände am MG hat. Das dürfte El Sordo sein. Er ist der Älteste, und er hat das MG gehabt. Nein. Schneidet ihm den Kopf ab und wickelt ihn in einen poncho .« Er überlegte einen Augenblick. »Nehmt lieber alle Köpfe mit. Auch die der anderen, unten auf dem Hang und dort, wo wir sie zuerst überrascht haben. Sammelt die Gewehre und Pistolen ein und ladet das MG auf ein Pferd.«
 Dann ging er zu dem Leutnant hinunter, der bei dem ersten Sturmangriff gefallen war. Er blickte auf ihn nieder, ohne ihn anzurühren.
  »¡Qué cosa mas mala es la guerra!« sagte er zu sich. »Was für eine böse Sache ist der Krieg.«
 Dann bekreuzigte er sich abermals, und während er den Hügel hinunterging, sagte er fünf Vaterunser und fünf Ave Maria für die Seelenruhe seines gefallenen Kameraden. Er hatte keine Lust, die Durchführung seiner Befehle mitanzusehen.
 
XXVIII
 
 Nachdem die Flugzeuge sich entfernt hatten, hörten Robert Jordan und Primitivo das Feuer wieder aufleben, und damit schien auch sein Herzschlag wieder aufzuleben. Über den letzten Hügelkamm, den gerade noch sein Blick erreichte, strich eine Rauchwolke hin, und die Flugzeuge waren drei langsam entschwindende Punkte am Himmel.
 Wahrscheinlich haben sie ihre eigene Kavallerie zusammengeballert und El Sordo und seinen Trupp gar nicht erwischt, sagte Robert Jordan zu sich selber. Diese verdammten Flugzeuge erschrecken einen zu Tode, aber sie treffen nur selten...
 »Der Kampf geht weiter«, sagte Primitivo und lauschte dem heftigen Geknatter. Sooft eine Bombe krepierte, war er zusammengezuckt, und jetzt leckte er sich seine trockenen Lippen ab.
 »Warum denn nicht?« sagte Robert Jordan. »Diese Dinger treffen immer daneben.«
 Dann hörte das Schießen völlig auf, und nicht ein einziger Schuß war mehr zu hören. Der Knall von Leutnant Berrendos Pistolenschuß reichte nicht bis hierher.
 Zuerst war er nicht sehr beunruhigt, als das Feuer aufhörte. Dann, als sich weiterhin nichts mehr rührte, packte ihn ein hohles Gefühl in der Brust. Dann hörte er die Handgranaten knallen, und einen Augenblick lang schlug sein Herz höher. Dann wurde es wieder ganz still, die Stille dauerte fort, und er wußte, daß alles vorüber war.
 Maria kam vom Lager herauf mit einem Blecheimer voll Hasenragout mit fetter Pilzsoße und einem Sack voller Brot, einer Lederflasche voll Wein, vier Blechtellern, zwei Tassen und vier Löffeln. Sie blieb neben dem MG stehen, füllte zwei Teller für Agustín und Eladio, der an Anselmos Stelle getreten war, gab ihnen Brot, schraubte die Hornkapsel von der Weinflasche ab und goß Wein in die beiden Tassen. Robert Jordan sah sie leichtfüßig zu seinem Ausguck heraufklettern, den Sack über der Schulter, den Eimer in der einen Hand, und das geschorene Haar schimmerte hell in der Sonne. Er kletterte ihr entgegen, nahm ihr den Eimer ab und half ihr den letzten Felsblock hinauf.
 »Was haben die Flieger gemacht?« fragte sie mit erschreckten Augen.
 »Sordo bombardiert.«
 Er hatte den Deckel von dem Eimer genommen und schöpfte Ragout in einen Teller.
 »Kämpfen sie immer noch?«
 »Nein. Es ist vorbei.«
 »Oh«, sagte sie, biß sich auf die Lippen und blickte in die Gegend hinaus.
 »Ich habe keinen Appetit«, sagte Primitivo.
 »Iß trotzdem«, sagte Robert Jordan.
 »Ich kann keinen Bissen hinunterkriegen.«
 »Trink erst mal einen Schluck, Mann«, sagte Robert Jordan und reichte

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