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Wem die Stunde schlaegt

Wem die Stunde schlaegt

Titel: Wem die Stunde schlaegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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ihm die Weinflasche. »Und dann iß.«
 »Diese Sache mit Sordo hat mir jede Lust genommen«, sagte Primitivo. »Iß du nur. Ich habe keine Lust.«
 Maria ging zu ihm hin, legte die Arme um seinen Hals und küßte ihn.
 »Iß, Alter«, sagte sie. »Der Mensch muß dafür sorgen, daß er bei Kräften bleibt.«
 Primitivo wandte sich ab. Er nahm die Weinflasche, legte den Kopf zurück und goß unter stetem Schlucken einen Weinstrahl in die Kehle. Dann füllte er seinen Teller aus dem Eimer und begann zu essen. Robert Jordan sah Maria an und schüttelte den Kopf. Sie setzte sich neben ihn hin, legte den Arm um seine Schultern. Jeder wußte, wie dem andern zumute war, und sie saßen da, und Robert Jordan aß das Ragout, ließ sich Zeit, die Pilze gründlich zu kosten, trank Wein, und beide schwiegen.
 »Du kannst hierbleiben, guapa, wenn du willst«, sagte er nach einer Weile, nachdem er alles aufgegessen hatte.
 »Nein«, sagte sie. »Ich muß zu Pilar zurück.«
 »Du kannst ruhig hierbleiben. Ich glaube nicht, daß jetzt noch was passiert.«
 »Nein. Ich muß zu Pilar zurück. Sie erteilt mir Unterricht.«
 »Was erteilt sie dir?«
 »Unterricht.« Sie lächelte ihm zu, und dann küßte sie ihn. »Hast du nie etwas von Religionsunterricht gehört?« Sie wurde rot. »Es ist etwas Ähnliches.« Sie wurde abermals rot. »Aber anders.«
 »Dann geh zu deinem Unterricht«, sagte er und streichelte ihren Kopf. Wieder lächelte sie ihn an, und dann sagte sie zu Primitivo: »Brauchst du etwas von unten?«
 »Nein, Tochter«, sagte er. Beide sahen, daß er sich noch immer nicht gefaßt hatte.
 » Salud, Alter!« sagte Maria zu ihm.
 »Hör mal!« sagte Primitivo. »Ich habe keine Angst vor dem Sterben, aber sie so im Stich zu lassen–« Die Stimme versagte ihm.
 »Wir hatten keine andere Wahl«, sagte Robert Jordan.
 »Das weiß ich. Aber trotzdem.«
 »Wir hatten keine Wahl«, wiederholte Robert Jordan. »Und jetzt ist es besser, man redet nicht mehr davon.«
 »Ja. Aber so ganz allein, ohne unsere Hilfe –« »Weit besser, man redet nicht davon«, sagte Robert Jordan. »Und du, guapa, geh zu deinem Unterricht.«
 Er sah ihr nach, wie sie zwischen den Felsen hinunterkletterte. Dann saß er lange da und dachte nach und blickte zu den Bergen hinüber.
 Primitivo sagte etwas zu ihm, aber er gab keine Antwort. Es war heiß in der Sonne, aber er beachtete die Hitze nicht, während er dasaß und zu den Hügelhängen hinübersah und zu den langgestreckten Waldstreifen, die sich den höchsten der Hänge hinanzogen. Eine Stunde verging, und die Sonne stand nun schon ziemlich weit links von ihm, da sah er die Reiter am oberen Rand des Hangs auftauchen und griff nach dem Fernglas.
 Winzig klein sahen die Pferde aus, als die ersten beiden Reiter auf dem langen grünen Abhang des hohen Berges sichtbar wurden. Dann kamen vier weitere Reiter herab, ausschwärmend über den breiten Berghang, und dann sah er durch das Fernglas die Doppelreihen der Soldaten und Gäule in die klare Schärfe seines Blickfeldes reiten. Während er sie beobachtete, fühlte er, wie ihm der Schweiß aus den Achselhöhlen hervorbrach und an der Seite hinunterlief. Einer ritt an der Spitze der Kolonne. Dann kamen etliche Berittene, dann die reiterlosen Gäule mit ihren Lasten über dem Sattel, dann zwei Berittene, dann die Verwundeten, und neben ihnen je einer, der zu Fuß nebenher marschierte, und schließlich die restlichen Reiter, die den Abschluß der Kolonne bildeten.
 Robert Jordan ließ sie nicht aus den Augen, wie sie den Hang hinunterritten und im Wald verschwanden. Er konnte auf diese Entfernung hin die Last nicht sehen, die einer der Gäule trug, einen länglichen gerollten Poncho, an beiden Enden und in gewissen Abständen zusammengeschnürt, so daß er zwischen den Schnürstellen sich ausbauchte wie eine Schote voller Erbsen. Das Ding hing quer über dem Sattel und war an beiden Enden am Steigbügelfutter festgebunden. Daneben hatten sie frecherweise das leichte MG auf dem Sattel placiert, das El Sordo bis zu seinem Tod bedient hatte. Leutnant Berrendo, der an der Spitze der Kolonne ritt, mit ausgeschwärmter Flankendeckung und gut vorgeschobener Tete, war keineswegs in übermütiger Laune. Er hatte nur jenes hohle Gefühl, das stets nach einem Gefecht sich einstellt. Er dachte: ihnen die Köpfe abzuschneiden ist barbarisch. Aber man muß Identitätsbeweise haben. Ich werde ohnedies genug Scherereien mit dieser Geschichte haben,

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