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Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie

Titel: Wen die Erinnerung trügt - Crombie, D: Wen die Erinnerung trügt - Where Memories Lie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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so manches Glas Billigwein serviert hatte, hob eine Braue.
    »Mr. Pevensey …«
    »Das hat schon seine Richtigkeit.« Harry schenkte dem Mann sein strahlendstes Lächeln. »Und ich werde auch ein Dessert nehmen.«
    »Wie Sie wünschen, Mr. Pevensey.« Der Ober, der immer noch etwas skeptisch dreinschaute, wandte sich ab, um die Bestellung weiterzuleiten, während Harry sich in seinem Stuhl zurücklehnte und den Blick über den kleinen Speisesaal im ersten Stock schweifen ließ wie ein Gutsherr, der seine Ländereien inspiziert.
    Das French House war ein Schauspielertreff, und Harry war hier Stammgast, seit er zum ersten Mal auf der Bühne gestanden hatte. Das Personal hatte ihm immer das Gefühl gegeben, willkommen zu sein, auch dann, wenn sein Geld nur für ein Glas vom billigsten Wein gereicht hatte, und heute Abend gedachte er, sie dafür gebührend zu entschädigen. Nach dem Essen würde er nach unten gehen und noch eine Flasche Wein bestellen, vielleicht sogar eine Lokalrunde spendieren. Und wenn er am Ende des Abends zu beschwipst wäre, um von der Dean Street hinauf in die Hanway Street zu wanken, dann würde er sich verdammt noch mal ein Taxi nehmen, jawohl!
    Heute hatte er sich zum ersten Mal in seinem ganzen Leben durchgesetzt. Sein Glück würde sich wenden, und im Vorgriff auf seine neu gewonnene Freiheit hatte er das Geld, das er eigentlich für die nächste Monatsmiete beiseitegelegt hatte, abgehoben, um seine kleine Privatfeier zu finanzieren.
    Der Ober brachte seinen Wein und entkorkte feierlich die Flasche. Harry nahm den obligatorischen Probeschluck, nickte
und sah dann zu, wie sich die rubinrote Flüssigkeit in das Glas ergoss.Von allen Bezeichnungen für die Farbe Rot, die ihm einfallen wollten – Zinnober, Scharlach, Rubin, Granat, Bordeaux, Burgunder -, hatten mindestens zwei mit Wein und zwei mit Edelsteinen zu tun, was ihm eine äußerst passende Kombination zu sein schien.
    Harry hatte die Farbe von rotem Wein immer geliebt, und er hatte sich oft gefragt, ob die Qualität nicht einen Einfluss auf ihre Sattheit und Tiefe hatte. Heute Abend, als er sein Glas gegen das Licht hielt, hatte er keinen Zweifel, dass er richtiggelegen hatte.
    Er schwenkte den Wein im Glas und brachte im Stillen einen Toast auf sich selbst aus. Er hatte es verdient, das und noch mehr, als Ausgleich für all die Jahre, in denen er sich mit weniger zufriedengegeben hatte; in denen er sich von Leuten, die sich für etwas Besseres hielten, hatte herumkommandieren lassen wie ein Hund.
    Und sie waren ihm etwas schuldig, die Millers. Lange genug hatte er darauf gewartet, diese Schuld einfordern zu können. Er hatte an diesem Nachmittag ein sehr interessantes Gespräch mit einem Bekannten aus der Antiquitätenbranche gehabt, der ihm prophezeit hatte, dass die Brosche weit mehr als den Mindestpreis erzielen könnte, aber er konnte sich trotzdem großzügig zeigen und Dom seinen Anteil lassen. Schließlich mochte er den Jungen ganz gern, und er wollte nicht, dass diese Schlägertypen, mit denen er sich eingelassen hatte, ihm ernsthaft wehtaten.
    Allerdings würde es Dom auch nicht schaden, wenn er ein wenig ins Schwitzen geriete – das würde ihm vielleicht helfen, seine Fehler einzusehen -, und außerdem hielt Harry es für eine gute Idee, abzuwarten, was die Brosche tatsächlich bringen würde, ehe er über das Ausmaß seiner Großzügigkeit entschied.
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, genoss seinen Wein wie das ganze Ambiente des kleinen Restaurants mit seinen frisch
gestärkten weißen Tischdecken und den großen Fenstern zur Straße hin, die an diesem lauen Maiabend offen standen. Es gab keine Musik, und Handys waren nicht erlaubt, sodass das Anschwellen und Abebben der Gespräche im Raum die einzige Geräuschkulisse bildete. So ließ es sich doch leben. Eine hübsche Frau, die allein an einem Tisch in der anderen Ecke speiste, schaute immer wieder weg, wenn Harry ihren Blick auffing, doch das kleine Lächeln auf ihren Lippen verriet, dass sie die Aufmerksamkeit genoss.Vielleicht habe ich meinen Charme ja doch noch nicht ganz verloren, dachte Harry. Ein kleiner Flirt wäre das perfekte Finale für diesen Abend.
    Als das Hauptgericht kam, hatte er dem Inhalt der Flasche Côtes du Rhône schon tüchtig zugesprochen, und die Frau in der anderen Ecke hatte ihm über den Rand ihres Glases einen verführerischen Blick zugeworfen.
    »Noch mal das Gleiche, Mr. Pevensey?«, fragte der Ober.
    »Ja«, antwortete Harry, und

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