Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
eilt«, behauptete Marcellus forsch, aber freundlich. »Wir kommen vom Kaiser persönlich.«
Daraufhin drehte der Mann sich um und legte die Wäsche auf einem Sims ab. »Oh, das konnte ich nicht wissen. Dann werde ich gehen und ihn rufen.«
Er machte sich auf den Weg und wollte uns zweifellos im Gang warten lassen. Doch wir, fünfzehn uniformierte Männer, folgten ihm durch eine hohe geschnitzte Flügeltür und eine breite Treppe hinauf.
Der Mann nahm es wortlos hin, beäugte uns nur hin undwieder unruhig. Er war gewaschen und gekämmt und mit einer gut geschnittenen gold-weißen Tunika bekleidet. Ich hielt ihn für einen hochgestellten Diener, der die Gepflogenheiten kannte und seine fünf Sinne beisammenhatte. Seine angewiderte Miene erinnerte mich daran, wie wir nach unserem langen Marsch durch Wälder und Gewässer aussehen – und riechen – mussten.
Schließlich blieb er vor einer Tür mit Skulpturenrahmen stehen, und nun gewann sein Unbehagen die Oberhand. Ich sah, wie er die Lippen zusammenkniff, und wusste, was kam.
»Wartet hier«, sagte er. »Eure Bitte ist unüblich. Deshalb werde ich jemanden vom Empfangsdienst rufen.« Doch ehe er sich abwenden konnte, packte Marcellus ihn beim Handgelenk.
»Das wird nicht nötig sein«, sagte er leise.
Der Diener riss die Augen auf und blickte Marcellus ins Gesicht; dann starrte er auf den Dolch, den ich ihm vor die Nase hielt. Danach brauchten wir ihm nichts mehr vorzuspielen.
Marcellus schob den Diener beiseite, drückte das Ohr an die Tür, um zu horchen, und öffnete sie behutsam.
Dahinter befand sich ein rechteckiger, hoher Raum mit Wandgemälden. An einer Seite stand ein mit Pergamenten übersätes Schreibpult, auf dem drei oder vier Lederhüllen lagen, in denen kaiserliche Depeschen befördert wurden. Es gab auch eine Liege mit vergoldeten Löwenfüßen und grün-weißen Polstern; daneben, auf einem niedrigen Zypressenholztischchen, stand ein Glaskrug nebst goldenen Bechern.
Doch Lucillian war nicht da.
Ich zeigte dem Diener meine Klinge und fragte: »Wo ist er?«
Der Diener schluckte und deutete mit dem Kopf in eine Ecke hinter dem Schreibpult, wo durch einen Spalt in den dicken roten Vorhängen eine kleine Tür zu sehen war. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und ging leise über den glänzenden Boden, Marcellus an meiner Seite. Dann gab ich den anderenein Zeichen, worauf sie uns ebenso leise folgten. Ich lauschte. Aus dem Nebenzimmer war nichts zu hören. Nach einem warnenden Blick zum Diener öffnete ich langsam die Tür.
Die Fensterläden waren geschlossen. Durch die Ritzen drangen Sonnenstrahlen. Im Bett murmelte eine müde Stimme: »Noch nicht, Agilo, geh hinaus.«
Er lag auf der Seite, die Decke über die Ohren gezogen, das Gesicht in dem weißen Leinenkissen versunken.
Auf Zehenspitzen schlichen wir ans Bett und umstellten es. Dann beugte sich einer der Männer über ihn und flüsterte: »Zeit zum Aufstehen.«
Einen Moment lang rührte er sich nicht. Dann fuhr er aus seinen Decken hoch und erstarrte, als er die fünfzehn Klingenspitzen sah, die auf ihn gerichtet waren.
»Verzeih, edler Lucillian, dass wir dich erschreckt haben«, sagte ich. »Es ist ein schöner Morgen, und Kaiser Julian würde gern ein Wort mit dir wechseln. Darum sei so gut und kleide dich an, damit wir sogleich zu ihm können.«
So kam es, dass Sirmium, die mächtige Kaiserstadt, wo Constantius erst ein paar Monate zuvor Hof gehalten hatte, durch fünfzehn Soldaten fiel. Lucillian leistete keinen Widerstand. Auch sonst stellte sich uns niemand entgegen. Während des kurzen Marsches zur Donau fragte er immer wieder, wie wir mit unserem Heer hatten vorrücken können, ohne dass er davon erfahren hatte. Wir antworteten nicht, und nach einiger Zeit verfiel er in Schweigen, denn er vermutete wohl, er würde noch am selben Tag hingerichtet und wir brächten es nicht übers Herz, mit einem Todgeweihten zu sprechen.
Doch als wir unser kleines Lager am Fluss erreichten, begrüßte Julian ihn höflich und sagte, er brauche um sein Leben nicht zu fürchten und solle sich aus dem Staub erheben.
Lucillian rappelte sich auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und ließ den Blick in die Runde schweifen, schaute auf die Zelte und die am Ufer liegenden Boote.
»Ist es nicht leichtsinnig, Cäsar, so weit von Gallien entfernt mit so wenigen Männern anzugreifen?«
Julian, der sich bereits abgewandt hatte, drehte sich wieder um und blickte ihn überrascht an.
»Was
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