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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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schlimm. Sie hatten ihm den Gürtel und die Ledertunika abgenommen und ihm nur das dünne rote Leinenhemd gelassen. Darunter sah ich die sachten Bewegungen des Brustkorbs beim Atmen. Mir fiel ein Stein vom Herzen.
    Sanft berührte ich ihn an der Schulter. Er riss die Augen auf, und ich bedeutete ihm hastig, kein Geräusch zu machen. Dann nahm ich meinen Dolch und machte mich daran, das Seil durchzuschneiden.
    Es bestand aus geflochtenem Leder, und die Klinge rutschte nutzlos daran entlang. Ich zog das Seil stramm und drückte die Schneide mit aller Kraft nach unten. Marcellus zog ebenfalls. Mit lautem Schnappen riss das Leder, und ich fiel unbeholfen auf den Hintern.
    Erschrocken blickte ich zur Tür.
    Unter dem Vordach hatte der dumpfe Aufprall sich laut wie ein Trommelschlag angehört. Doch nichts rührte sich. Marcellus begann zu flüstern und erzählte, wie die Germanen sich die halbe Nacht lang betrunken hatten und dass ein Tritt an den Kopf nötig wäre, um sie zu wecken. Beinahe hätte ich laut gelacht. Doch dann, als ich uns schon sicher glaubte, ging es los: Krallen scharrten wütend an der Holztür, und wildes Gebell brach los.
    Wir sprangen auf und rannten zu Gereon, der angespannt und mit schreckgeweiteten Augen auf uns wartete. Schon hörten wir drängende Stimmen aus dem Haus des Häuptlings, dann die schweren Türriegel.
    Wir stürmten den Pfad hinunter. Die anderen waren an der Koppel und scheuchten die Pferde hinaus. Als ich zum Schweinekoben gelangte, riss ich das Gatter auf und wedelte schreiend mit den Armen, sodass die Sau erwachte, die Ferkel quiekend auseinanderstoben und ins Freie flitzten. Am Häuptlingshaus wurden die Hunde losgelassen. Ich sah sie hinter uns herhetzen, und sie holten schnell auf.
    »Da entlang!«, rief ich und zog Marcellus mit.
    Wir schwenkten vom Pfad ab ins hohe Gras und rannten weiter, stolperten über verborgene Wasserläufe und sumpfige Tümpel. Das bremste uns zwar, brachte aber wie erhofft die Hunde von unserer Fährte ab. Wir waren fast schon am Ziel, wo das Gras auf den Bach am Waldrand stieß und die anderen warteten. Doch Gereon, der zehn Schritte hinter uns rannte, schrie plötzlich auf und stürzte. Ich hielt an und drehte mich um. Ein Hund hatte sich auf ihn gestürzt und biss knurrendzu. Ich rief Marcellus zu, er solle weiterlaufen, und zog meinen Dolch.
    Gereon wehrte das Tier ab, das nach seinen Unterarmen schnappte und versuchte, ihm an die Kehle zu gehen. Der Hund drehte den Kopf, als ich mich näherte. Er musste mich gewittert haben. Knurrend ließ er von Gereon ab, starrte mich sprungbereit an und bleckte seine blutigen Zähne. Langsam rückte ich vor, mit seitlichen Schritten, und vollführte eine Ringerfinte, die ich kannte. Wie erhofft sprang das Tier von Gereon herunter und griff mich an.
    Es war stark und schnell und hatte ein großes, kräftiges Maul. Doch ich war flinker. Ich drehte und duckte mich gleichzeitig und stieß ihm mein Messer in die Seite. Das Tier heulte auf, aber der Stich war nicht tödlich, und so schnellte es zu mir herum und schnappte nach meinem Gesicht. Gereon, der jetzt die Hände frei hatte, zog seinen Dolch, taumelte heran und stieß ihn dem Hund in die Kehle. Ein blubberndes Zischen war zu hören; das Tier schüttelte sich röchelnd, dann fiel es tot zu Boden.
    Uns blieb keine Zeit, ein Wort zu wechseln. Keuchend rannten wir weiter. Gereon blutete am linken Arm. Als wir die anderen erreichten, kauerte er sich an den Bach, und ich half ihm, die Wunde zu säubern. Inzwischen herrschte im ganzen Dorf lautes Geschrei. »Wir müssen hier weg«, mahnte Durano.
    Wir rannten platschend durch den kalten Bach, um unsere Fährte zu verwischen, und drangen am anderen Ufer in das tiefe Dunkel des Waldes vor. Dort folgten wir einer engen Schlucht, wo der Bach klar in einem Kieselbett unter überhängenden Zweigen dahinfloss. Ich bildete ein paar Schritte hinter den anderen den Schluss. An einem großen glatten Felsbrocken änderte der Bach seinen Lauf. Als die anderen dahinter abschwenkten, verlor ich sie aus den Augen.
    Ich sah die zottige Gestalt erst, als sie zuschlug. Einen Moment glaubte ich, es sei ein Bär oder irgendein anderes wildesTier aus dem Wald. Doch im Fallen sah ich den eisenbeschlagenen Gürtel über dem Fell und erkannte, dass es ein Mann war. Er musste auf einem kürzeren Weg über den Kamm gekommen sein oder hatte hinter dem Felsen auf der Lauer gelegen, zwischen den Weidensträuchern und Farnbüschen. Ich konnte

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