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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Waters
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Mann blickte auf und musterte mich misstrauisch. Er war ein bisschen älter als ich und hatte einen schmächtigen Körperbau, schlechte Haut und einen mürrischen, unzufriedenen Gesichtsausdruck. Eine Hand lag auf der groben, fleckigen Tischplatte, mit der anderen hielt er seinen Mantel zusammen, als wäre ihm kalt, obwohl die abgestandene Luft im Raum warm genug war.
    Er zuckte die Achseln. »Das bezweifle ich«, erwiderte er und wandte den Blick ab.
    Wir setzten uns trotzdem, stellten beherzt unsere Weinbecher zu seinem und lachten wie zwei geistesschwache Gewohnheitstrinker. Ich rief dem Schankburschen zu, uns noch einen Krug zu bringen, während Marcellus über Pferde, die Beschwerlichkeiten des Reisens und die erbärmliche Bewirtung in solch einem tristen, verregneten Außenposten schwatzte.
    »Ja, wirklich!«, bekräftigte ich. »Was für ein Ort, um sich aufhalten zu lassen! Wir sind jetzt schon spät dran, und unsere Angelegenheit mit Lupicinus ist dringend.« Ich lachte gut gelaunt. »Aber genug von ernsten Dingen! Da kommt endlich der Wein. Lass uns trinken, mein Freund, und den Abend genießen – sofern das in diesem von den Göttern verlassenen Nest möglich ist.« Ich füllte in großspuriger Manier die Becher wie ein Mann, der seine Vergnügungen ernst nimmt.
    »Ich heiße Marcellus«, sagte mein Freund grinsend und streckte die Hand aus. Der Mann betrachtete sie, nahm sie aber nicht.
    »Firmus«, sagte er argwöhnisch.
    Sein Gesicht war ausgezehrt, grau und pockennarbig, und er hatte dunkle Schatten unter den vorstehenden Augen. Ihm war offenbar bewusst, dass er kein einnehmendes Wesen hatte, und Aufmerksamkeiten von Freunden war er eindeutig nicht gewöhnt.
    Marcellus plauderte und lachte in einem fort und trug dick auf, als wäre jeder Augenblick mit diesem Mann ein köstliches Vergnügen. Zuerst glaubte ich, Firmus habe den Haken, den wir nach ihm ausgeworfen hatten, nicht bemerkt, doch dann biss er an. »Was wollt ihr bei Lupicinus?«
    Ich hielt inne, holte bedeutungsvoll Luft und sah mich auffällig nach allen Seiten um, bevor ich antwortete. In gedämpftem Tonfall sagte ich: »Wir haben einen Brief des Präfekten Florentius. Er ist eine sehr wichtige Person …« Ich tippte miran die Nase und nickte. »Aber der Weise ist schweigsam, wie man sagt.«
    Ich hob den Krug, um ihm von dem billigen Wein nachzuschenken. Doch er hob die Hand und hielt seinen Becher zu.
    Dann beugte er sich vor und flüsterte: »Ich trage ebenfalls einen Brief des Präfekten bei mir.«
    »Tatsächlich? Was für eine Überraschung! Dann haben wir mehr gemeinsam als gedacht.«
    Da ich nicht zu viel Neugier zeigen wollte, füllte ich meinen Becher und begann mit Marcellus irgendwelchen Unsinn über das Schankmädchen zu reden. So verfuhren wir eine Weile wie zwei Schmierenkomödianten und unterbrachen uns ab und zu, um lüstern zu dem Mädchen zu schielen.
    Ganz nach meiner Absicht sagte Marcellus schließlich: »Höre, Drusus, wenn wir sowieso zu Lupicinus gehen, könnten wir Firmus doch den Gefallen tun und seinen Brief mitnehmen. Was meinst du?«
    »Warum nicht?«, antwortete ich achselzuckend. »Freunde sollten einander gefällig sein.«
    »Das darf ich nicht tun«, sagte Firmus rundheraus in verbissenem Ton. »Mein Befehl lautet, den Brief eigenhändig abzuliefern.«
    »Schon gut, wir wollten nur behilflich sein«, sagte Marcellus. Er trank seinen Wein und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Schankmädchen, das zu unserem Glück nichts davon bemerkte, denn es war ein langweiliges Geschöpf, das ein Bad bitter nötig gehabt hätte.
    Trotz meiner Bemühungen behielt Firmus seine mürrische Laune bei. Wein zählte offenbar nicht zu seinen Schwächen. Schließlich sah er sich um, als wolle er gehen. Rasch sagte ich zu Marcellus: »Wir sollten jetzt weiterziehen. Die Mädchen warten schon auf uns.«
    »Mädchen?«, fragte Firmus, der plötzlich munter wurde.
    »Aber ja. Wäre schade, sie sitzen zu lassen.« Marcellus, dersonst nie grob war, unterstrich seine Worte mit einer vulgären Geste, die man häufig bei gemeinen Soldaten sieht. Die passte so wenig zu ihm, dass ich einen Moment lang aus meiner Rolle fiel und ihn anstarrte. Er fing meinen Blick auf und errötete, was er mit einem plötzlichen Hustenanfall überspielte. »Aber du willst dich sicher früh schlafen legen, wo du doch die lange Reise noch vor dir hast, Freund.«
    »Erzähl mir von den Mädchen«, sagte Firmus.
    Wir dachten uns allerhand Dinge aus,

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