Wen die Sehnsucht besiegt
man nur angelächelt wurde, weil man eine reiche Erbin war.
Jamie drehte sich nicht um. Unbewegt stand er da. Am Vortag, bei jener Begegnung im Garten, hatte er das Mädchen gemocht, sogar sehr. Wie konnte er sich nur so bitter in einem Menschen täuschen.
»Dann hoffe ich, daß sein Plan gelingen wird! « rief Frances, und alle Anwesenden brachen in Gelächter aus. Lächelnd verließ Jamie den Salon, und er hörte erst zu lächeln auf, als er die nächstbeste Taverne erreichte und entschlossen anfing, sich zu betrinken.
7
Mit beiden Fäusten trommelte Axia auf ihr Kissen. Niemals hatte sie ihrer Kusine nach dem Leben getrachtet, obwohl das alle zu glauben schienen, und statt dessen nur einen Niesreiz bewirken wollen. Wie hätte sie denn wissen sollen, daß die überempfindliche Frances keine Luft kriegen würde, wenn ein paar Gänseblümchen ihre Wangen berührten?
Und dieser Montgomery! Axia ließ sich aufs Bett fallen und breitete die Arme aus. Bei der ersten Begegnung hatte er sie sympathisch gefunden. Daran konnte kein Zweifel bestehen. Nicht das Geld ihres Vaters hatte ihn interessiert, sondern sie.
Aber jetzt sah er nur noch Frances und die vollgestopften Wagen, was immer sie enthalten mochten. Der armen Kusine gönnte er keinen Blick mehr. Nach diesem Morgen war Axia in ihr Zimmer zurückgekehrt, um ihre Farben und Pinsel, die Holzkohle und Wachsstifte einzupacken, und während des restlichen Tages dort geblieben. Vielleicht hätte sie sich von den Leuten in ihrem schönen Gefängnis verabschieden sollen. Aber die hatte ihr Vater so oft ausgetauscht, daß ihr niemand nahestand außer Tode. Und Frances, wenn so unheilige Bande überhaupt zählten. Tränen brannten in ihren Augen und wurden energisch hinuntergeschluckt. Niemand auf dieser Welt verstand, was in ihr vorging. Wer würde denn die reichste Frau von England bemitleiden? Wenn sie als Kind in Schluchzen ausgebrochen war, hatte irgendein Gärtnergehilfe gesagt: »Wischt Eure Tränen mit Goldstücken weg! « Nie leistete ihr jemand Gesellschaft, weil es ihm ein Bedürfnis war, und sie lernte immer nur die Menschen kennen, die ihr Vater bezahlte.
Wenn sie mit irgendwelchen Leuten bekannt gemacht wurde, sah sie, wie sich ihre Mienen veränderten. Manchmal kamen junge Männer zu Besuch, die nicht wußten, wer sie war, und sie abschätzend musterten - wohlgefällig oder gleichgültig. Aber sobald sie erfuhren, sie sei die legendäre Maidenhall-Erbin, begannen ihre Augen zu strahlen, flüchtiges Interesse verwandelte sich in Faszination. Andererseits wurde sie auch unhöflich behandelt. Während ihrer Kindheit hatten einige Leute erklärt, sie würden sich nicht von ihr schikanieren lassen. So als stünde es von vornherein fest, daß sie ein Monstrum war. Einer ihrer Lehrer hatte fast jeden Satz mit den Worten begonnen: »Das Geld Eures Vaters berechtigt Euch keineswegs… «
»Das Geld meines Vaters gestattet mir keine Freiheit«, flüsterte sie jetzt. »Nie durfte ich über einen Jahrmarkt gehen oder einem Puppenspieler zuschauen. Niemand liebte oder haßte mich um meiner selbst willen. «
Und es war auch das Geld ihres Vaters, das ihr eine normale Ehe verwehrte. Ein Mann, der seine einzige Tochter einsperrte, um ihr eine geheimnisvolle Aura zu verleihen und ihren Wert auf dem Heiratsmarkt zu erhöhen, würde sie nicht an einen starken, gesunden Gatten verschwenden. Irgendwas stimmte nicht mit Gregory Bolingbrooke, wenn sie auch keine Ahnung hatte, was es sein mochte. Jedesmal, wenn sie die Abgesandten des Vaters nach ihrem Verlobten befragt hatte, waren sie ihrem Blick ausgewichen. Litt er an geistiger Umnachtung, an einer unheilbaren Krankheit, oder besaß er eine schwarze Seele? Wie auch immer, sein Vater bezahlte Maidenhall ein Vermögen, um dessen Erbin als Schwiegertochter zu gewinnen -natürlich unter der Bedingung, daß sie Perkin beerben würde.
Da sie ihren Vater kannte, würde es sie nicht wundern, wenn sie eines Tages hören sollte, kurz vor seinem Tod habe er seinen gesamten Besitz verkauft und den Erlös mitsamt dem Bargeld an einem unauffindbaren Ort vergraben. Wahrscheinlich würde es nicht einmal ihm gelingen, sein Eigentum ins Jenseits mitzunehmen, aber er konnte verhindern, daß es in andere Hände fiel. Und Axia wußte, wie gern er sein Hab und Gut unter Verschluß hielt.
Am nächsten Morgen würde das größte Abenteuer ihres Lebens beginnen. Wenigstens hatte ihr der Vater Zeichen-und Malutensilien gekauft. Aber wenn ihr Mann
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