Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch
für ein Lächeln! Man möchte darin versinken.
Jetzt Jakob ganz groß. Er lächelt ebenfalls.
Er kommt auf mich zu.
Er breitet die Arme aus.
Er legt sie um mich.
Und dann: Jakob! Und ich! Wir tanzen! Ganz eng!
Wow!
(Ähm. Kurz zum Thema Lächeln: Habe gerade versucht, vorm Spiegel mein Erfolgs-Lächeln noch mal zu rekonstruieren. Habe festgestellt, dass ich dabei aussehe wie die Grinsekatze bei Alice im Wunderland. Hat wohl nur geklappt, weil dasLicht schummrig war. Werde nie wieder so lächeln. Werde künftig eher melancholisch-tragisch gucken. Oder? Moment. Testtesttest. Hmmmm. Neee. Auch nicht optimal.)
Wo war ich?
Oh, ja, der Kuschelsong. Dass Jakob so groß ist, hätte ich gar nicht gedacht. Und Schultern hat er, zum Knie erweichen. Auch wenn man gar keinen Kummer hat, möchte man sich an ihn rankuscheln und ein bisschen schluchzen.
Seine Hände lagen erst ruhig auf meinem Rücken, dann begann er, ganz zart rauf und runter zu streicheln. Ehrlich gesagt roch er ein bisschen nach Knoblauch, aber das störte mich überhaupt nicht, ich fand ihn zum Anknabbern. Ganz dicht an meinem Ohr summte seine Stimme die Melodie mit: »I would fight for you, I’d lie for you, walk the wire for you, yeah I’d die for you.«
Ich schmolz dahin wie Polareis im Klimawandel.
Leider fand dieser Kuschelmoment ein jähes Ende.
Uffzk. Uffzk. Uffzk.
Auf einmal wummerten Bässe aus den Boxen und die Lichtorgel explodierte. Jakob ließ mich vor Schreck los. Fühlte sich an, als hätte mir jemand frühmorgens die Bettdecke weggezogen. Spontan dachte ich ein paar sehr hässliche Dinge über meinen großen Bruder, aber dann sah ich, dass Flocke unschuldig war. Er löste sich selbst gerade mit verwirrtem Blick aus einer Umklammerung mit Dana. Verantwortlich für das Gewummere, das da durchs Wohnzimmer dröhnte, war Maiken. Sie stand mit Monstergrinsen neben der Anlage und tanzte zu dem Techno-Beat. Aber wie! Ihre Hüften wippten, ihre Arme schlängelten durch die Luft und ihr Blick – den musste manschon fast zensieren, so verrucht war der. Tom ging auf sie zu und sprach sie an, da hielt sie mitten in der Bewegung inne. Wie blass sie war. Sie schwankte ein bisschen und ihr Blick wirkte auf einmal traurig und verloren.
Da stimmte was nicht. Maiken und Alkohol? Never!
»Warte! Wo willst du hin?«, fragte Jakob.
»Mal ein paar Takte mit Maiken reden!«
»Die braucht dich jetzt nicht. Die geht mit Tom Sterne gucken.« Tatsächlich, Tom hatte seinen Arm um Maikens Schulter gelegt und schob sie gerade in den Garten.
Inzwischen tanzten alle anderen zu dem Beat und die Stimmung war super. Geradezu ekstatisch.
Nach Abzappeln war mir aber jetzt gerade nicht. Jakob wohl auch nicht. »Noch einen Schluck Bowle?«, fragte er. Ich nickte und er zog mich an der Hand zum Buffet. Wir beobachteten die anderen beim Tanzen und witzelten eine Weile herum.
»Wo ist eigentlich dein Zimmer?«, fragte Jakob.
»Oben.«
»Ich würde gern mal sehen, wie du so wohnst.«
»Okay.« Ich tat cool, aber innerlich flatterte ich. Wollte der mit mir allein sein? Ziemlich wahrscheinlich, oder?
Ich strich mir die lila Strähne aus dem Gesicht und atmete tief durch. Jetzt bloß nichts falsch machen. Heiß und cool, wie ist man das eigentlich gleichzeitig?
»Moment noch«, sagte Jakob. Er hatte Tom gesehen und fragte ihn irgendetwas, während ich schon mal vorausging und überlegte, in welchem Zustand sich mein Zimmer wohl befand. Irgendwelche Peinlichkeiten, die offen rumlagen? Wenig später kam er nach.
»Gemütliche Bude.« Er sah sich um und setzte sich aufs Bett. »Und ganz schön viele Bücher.«
Oh neee!!! Auf dem Schreibtisch, ganz obendrauf, lag meine neueste Errungenschaft. Der Titel des Buches: »Sex bei den Insekten«. Und darunter: »Das Kamasutra der Tiere«. Jakob musste ja denken, dass ich sonderbare Hobbys hatte. Ich war fast erleichtert, als jemand an die Tür klopfte.
Flocke!
»Ich fahr dich jetzt nach Hause«, sagte er zu Jakob.
Hä? Das kam ziemlich unvermittelt.
»Wieso das denn?«, fragte ich, aber ich bekam keine Antwort.
»Los, komm, die Party ist zu Ende.« Jakob zögerte, aber Flocke ließ ihm keine Wahl. »Schluss jetzt, Ende Gelände und tschüss«, sagte er unfreundlich. Jakob erhob sich.
Als wir runterkamen, waren tatsächlich alle im Aufbruch.
Alles vorbei? Das ging mir zu schnell, da kam ich nicht mit. Aber bestimmt gab es dafür eine Erklärung. Vielleicht hatte Flocke mit unseren Eltern eine bestimmte Zeit als
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