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Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch

Titel: Wen küss ich und wenn ja, wie viele? - Lilias Tagebuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Andeck
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Welt würde ich sie wieder hergeben.
    Stopp. Zurückspulen. Von vorn.
    Als ich gegen Mittag die Stimmen von Rosalie, Mama und Paps hörte, ging ich runter, um die drei zu begrüßen. Und da sah ich sie zum ersten Mal. Sie saß vorm Sofa, kaute an Papas Schuh und wedelte mit dem Schwanz. Ein Blick in ihre Knopfaugen und es war um mich geschehen. Ich merkte zwar, dass ich mit den Zehen in einer Pfütze stand und meine Socken sich langsam mit einer Flüssigkeit vollsogen, über deren Herkunft ich lieber nicht nachdachte, aber das war mir egal.

    Sie ist etwa katzengroß, schneeweiß, hat Schlappohren, eineschwarze Nase und ihre Pfoten sind riesig. Aber das Beste an ihr: Sie hat ein Piratenauge, einen braunen Fleck rund um ihr rechtes Auge, fast wie der Hund in dem Film »Die kleinen Strolche«. Oder fast wie Rosalie mit ihrer Schielbrille.
    »Wer bist denn du?«, fragte ich und ging in die Hocke.
    Die kleine Hündin hoppelte auf mich zu. Sie lächelte. Oder nein, sie hechelte. Sie zog die Lefzen auseinander, als würde sie grinsen, aber ihre Zunge hing ihr weit aus dem Hals und sie atmete schnell.
    »Sie hat noch keinen Namen. Sie wohnt jetzt bei uns«, sagte Rosalie und strahlte mich an.
    »Oh, Rosine, sie sieht ja aus wie du!« Ich setzte mich neben das kleine Tier und streichelte eines der winzigen Flauschohren.
    »Sie hat Durst!« Rosalie sprang auf, wuselte in die Küche, füllte eine Plastikschüssel mit Wasser und stellte sie vor das kleine Tier.
    »In der Zeitung war eine Anzeige: Welpen zu verkaufen «, erzählte Mama, zu deren Füßen sich die kleine Hundedame nach dem Trinken mit prallem Bauch zusammenrollte und schlief, wie nur Babys schlafen können. »Eigentlich wollten wir ja erst mal nur gucken …« Sie lachte und sah plötzlich zehn Jahre jünger aus.
    »Aber dann war nur noch ein Baby da!«, krähte die Rosine. »Und plötzlich hat Papa gesagt: Die nehmen wir. Und dann hat Mama sie auf den Arm genommen und gar nicht mehr hergegeben. Ich hab noch gesagt: He, wir wollten doch nur … Aber dann habe ich schnell die Klappe gehalten.«
    »Typisch«, knurrte Florian. »So läuft das immer. Kindchenschema. Erst sind alle begeistert von Tierbabys und wenn siedann groß sind und Arbeit machen, fliegen sie raus und landen im Tierheim.«
    »Sie gehört zur Familie«, sagte Mama, »und bei uns fliegt niemand raus. Da müssen wir jetzt durch, wenn’s sein muss mit Heulen und Zähneklappern.« Und wenn Mama so etwas sagt, dann ist das so.
    Die kleine Hündin lag auf dem Boden und bekam von unserem Gespräch überhaupt nichts mit. Sie schnaufte leise und gleichmäßig vor sich hin. Und obwohl sie überhaupt nichts tat, war unser Wohnzimmer plötzlich ein ganz anderer Ort als vorher. Erst mal rein äußerlich: Eine Hundepfütze sickerte ungehindert ins Parkett, überall lag zerrissenes Zeitungspapier und Papas Schuh hatte Zahnspuren, aber niemand regte sich darüber auf. Aber auch wir waren anders, wir lungerten entspannt auf den Sesseln herum, sprachen mit ruhiger Stimme, um das kleine Tier nicht zu wecken, und irgendwie fühlte ich mich plötzlich nicht mehr so allein auf der Welt, obwohl ich ja schon vorher überhaupt nicht allein gewesen war und obwohl das kleine Tier überhaupt nichts tat, um mir Gesellschaft zu leisten.
    »Wie soll sie denn jetzt heißen«, fragte Mama leise und ließ ihren Blick zärtlich auf der kleinen Hündin ruhen.
    »Foo Foo«, sagte Rosalie. »So heißt der Hund von Miss Piggy und der ist auch weiß.«
    »Vergiss es«, protestierte Papa laut.
    »Psssst«, zischten wir im Chor. Er senkte die Stimme. »Ich stelle mich doch nicht auf eine Wiese und rufe öffentlich: ›Fuffu, Fuuuuuß!!!‹«
    »Nicht Fuffu«, sagte ich. »Foo Foo mit zwei O«.
    »Auch nicht besser. So heißt dieser Hund nicht«, sagte Paps.
    »Foo Foo geht wirklich nicht«, entschied Mama. »Wir haben alle botanische Namen und der Hund bekommt auch einen.« »Petunia? Erika, oder was?« Flocke verdrehte die Augen.
    »Vielleicht etwas Französisches?«, überlegte Mama. »Es muss ja nicht unbedingt eine Blume sein. Bäume gehen auch.«
    »Apfel. Pomme.«, sagte ich.
    »Super!«, röhrte Flocke. »Paps steht auf der Wiese und ruft: ›Pomme, komm!‹«
    »Primel«, sagte Rosalie. »Das passt zu ihr. Ich finde, dass sie aussieht, als würde sie Primel heißen.« Wir starrten alle auf das kleine Tier, das den Kopf auf Mamas Fuß gelegt hatte und jetzt leise schnarchte. Tatsächlich, sie sah irgendwie nach Primel aus. Und so

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