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Wendekreis des Krebses

Wendekreis des Krebses

Titel: Wendekreis des Krebses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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eine ziemlich große, magere mit melancholischen Augen. Wir vier wurden in dem Empfangszimmer allein gelassen. Nach ein paar Augenblicken beugt mein junger Gandhi sich herüber und flüstert mir etwas ins Ohr. «Sicher, wenn sie Ihnen besser gefällt, nehmen Sie sie», sagte ich, und so, ziemlich unbeholfen und reichlich verlegen, erklärte ich dem Mädchen, daß wir tauschen wollten. Ich sah sofort, daß wir einen faux pas begangen hatten, aber inzwischen war mein junger Freund munter und lüstern geworden, und es blieb nichts anderes übrig, als rasch hinaufzugehen und es hinter sich zu bringen.
    Wir nahmen ineinandergehende Zimmer mit einer Verbindungstür. Ich glaube, mein Begleiter hatte vor, einen erneuten Tausch vorzunehmen, wenn er erst einmal seine erste, heiße, drängende Begierde befriedigt hatte. Jedenfalls hatten die Mädchen kaum das Zimmer verlassen, um sich fertig zu machen, als ich ihn an die Tür klopfen höre. «Wo ist bitte die Toilette?» fragt er. Da ich nicht denke, daß es sich um etwas Größeres handelt, fordere ich ihn auf, das Bidet zu benutzen. Die Mädchen kommen mit Handtüchern in den Händen zurück. Ich höre ihn im Nebenzimmer kichern.
    Als ich meine Hose anziehe, höre ich plötzlich im Nebenzimmer einen Aufruhr. Das Mädchen schimpft ihn aus, nennt ihn ein Schwein, ein schmutziges, kleines Schwein. Ich kann mir nicht vorstellen, was er angerichtet hat, um einen solchen Ausbruch zu verursachen. Ich stehe da mit einem Bein in meiner Hose und lausche gespannt. Er versucht, ihr etwas auf englisch zu erklären, seine Stimme wird immer lauter und lauter und schwillt schließlich zu einem Schreien an.
    Ich höre eine Tür zuknallen, und im nächsten Augenblick platzt die Madame in mein Zimmer, ihr Gesicht ist rot wie eine Runkelrübe, ihre Arme gestikulieren wild. «Sie sollten sich schämen», schreit sie, «mir einen solchen Kerl herzubringen! Er ist ein Barbar … ein Schwein … ein …!» Mein Begleiter steht hinter ihr im Türrahmen, einen Ausdruck äußersten Unbehagens im Gesicht. «Was haben Sie getan?» frage ich.
    «Was er getan hat?» schreit die Madame. «Ich werde es Ihnen zeigen … Kommen Sie!» Und indem sie mich am Arm ergreift, zerrt sie mich in das nächste Zimmer. «Da! Da!» schreit sie und deutet auf das Bidet.
    «Kommen Sie, gehen wir», sagt der Hinduknabe.
    «Einen Augenblick, so einfach kommen Sie nicht weg.»
    Madame steht fauchend und schnaubend beim Bidet. Auch die Mädchen stehen dort, ihre Handtücher in Händen. Wir fünf stehen da und sehen das Bidet an. Zwei riesige Kottrümmer schwimmen im Wasser. Die Madame beugt sich hinunter und breitet ein Handtuch darüber. «Schrecklich! Schrecklich!» jammert sie. «So was hab ich noch nie erlebt! Ein Schwein! Ein schmutziges, kleines Schwein!»
    Der Hinduknabe sieht mich vorwurfsvoll an. «Sie hätten es mir sagen sollen!» meint er. «Ich wußte nicht, daß es nicht hinuntergehen würde. Ich fragte Sie, wo ich hingehen sollte, und Sie sagten mir, ich solle das hier benutzen.» Er ist den Tränen nahe.
    Schließlich nimmt mich Madame auf die Seite. Sie ist jetzt etwas vernünftiger geworden. Es war eben ein Irrtum. Vielleicht ist der Herr so gut, kommt hinunter und bestellt noch ein Glas für die Damen. Es war ein großer Schreck für die Damen. Sie sind an derlei Dinge nicht gewöhnt. Und wenn der liebe Herr so gut sein möchte, die femme de chambre nicht zu vergessen – diese Bescherung, diese scheußliche Bescherung ist nicht gerade angenehm für die femme de chambre . Sie zuckt die Schultern und zwinkert mit dem Auge. Ein bedauerlicher Vorfall. Aber ungewollt. Wenn der Herr ein paar Augenblicke hier warten will, bringt das Mädchen die Getränke. Möchte der Herr Champagner? Ja?
    «Ich möchte hier weg», sagt der Hinduknabe mit schwacher Stimme.
    «Nehmen Sie es nicht so tragisch», sagt die Madame. «Es ist jetzt vorbei. Irrtümer passieren manchmal. Das nächste Mal fragen Sie nach der Toilette.» Sie läßt sich des längeren über die Toilette aus, eine in jedem Stockwerk, scheint es. Und auch ein Badezimmer. «Ich habe viele englische Kunden», sagt sie. «Sie sind alle Gentlemen. Der Herr ist ein Hindu? Reizende Menschen, die Hindus. So klug. So hübsch.»
    Als wir auf die Straße kommen, ist der reizende junge Mann fast dem Weinen nahe. Er ist nun traurig darüber, daß er sich einen Samtanzug, den Spazierstock und die Füllfederhalter gekauft hat. Er spricht von den acht Gelübden, die er

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