Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe
keinem Sicherheitsbeamten verübeln, daß er ein wenig nervös reagiert und vorübergehend den Überblick verliert. Sobald wir Gablenz haben, können wir dann massiv das Feuer auf die Wölfe eröffnen und so viele von ihnen abknallen wie möglich. Die Gäste werden ohnehin geschockt sein und keine dummen Fragen stellen.“
„Falls Gablenz überhaupt auftaucht“, sagte Kettler. „Er wird kommen.“ Roloff schaute auf die Uhr. „Gut, meine Herren. An die Arbeit!“
Der Abend hatte sich auf Buchfeld herabgesenkt, und die seicht dahinplätschernde Musik von FREEWAY lag, wie Chris fand, unangenehm klebrig über Henns Garten. Chris saß etwas abseits von den anderen Gästen auf einer der langen Brauereibänke und starrte in ihre Apfelsaftschorle. Jonas war ins Haus gegangen, um zu telefonieren. Es ließ ihm keine Ruhe, daß er noch immer nicht wußte, ob Susanne Wendland überlebt hatte. Dieses entsetzliche peitschende Geräusch im Telefonhörer ... drei Schüsse.
Plötzlich tauchte Henn auf und setzte sich mit einem Bierglas auf die Bank ihr gegenüber. „Hat Kommissar Jonas Sie allein gelassen, Frau Dr. Adrian?“ fragte er und zündete sich einen Zigarillo an.
„Ich... habe nicht promoviert“, sagte Chris. „Ich bin normale Diplombiologin.“ Jonas hatte recht, diese Dinger stanken wirklich furchtbar.
„Oh, Sie werden aber doch gewiß noch eine ganz hervorragende Doktorarbeit schreiben“, schwadronierte Henn. „Man erzählt ja, daß Sie im Wildpark ganz ausgezeichnete Vorträge über die Wölfe halten.“ Er wirkte sehr jovial und aufgeräumt und schien sich nicht im geringsten zu fürchten. „Damit ich wieder Vorträge über sie halten kann, müssen die Wölfe erst einmal zurück im Gehege sein.“ Obwohl Henn ihr unsympathisch war, bemühte sie sich redlich, höflich zu sein. Immerhin war sie als Gast auf seinem Fest und wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Allerdings war sie nicht gekommen, weil sie sich durch Henns Einladung irgendwie geehrt fühlte, sondern weil Jonas sie darum gebeten hatte. Und letztlich war wohl auch das nicht der wahre Grund. Sie spürte einfach, daß sie hier sein mußte. Es hatte etwas mit den Wölfen zu tun, mit dem Bärenwesen und ihrer Bestimmung und machte ihr angst.
Henn sprang auf, sagte mit breitem Lächeln: „Bis später“ und steuerte auf einen offenbar wichtigeren Gast zu, um Konversation zu machen. Chris war erleichtert, von seiner Gesellschaft befreit zu sein.
Neben ihr, ein paar Meter entfernt, saßen zwei jüngere Männer vor ihrem Bier. Der eine klagte mit melancholischem Gesichtsausdruck über den immer größer werdenden Streß im Beruf. Der Konkurrenzkampf werde immer härter, und er bekomme seine Familie kaum noch zu Gesicht.
Der andere tat das mit einer Handbewegung ab. „Du darfst dich nicht durch negatives Denken selbst herunterziehen“, sagte er. „Wenn du emotional nicht gut drauf bist, kannst du keine Verkaufserfolge erzielen.“ Dann erzählte er von einem Seminar bei irgendeinem amerikanischen Trainer, das er mitgemacht habe. Dabei seien sie sogar über glühende Kohlen gelaufen. Seither wisse er, daß er jeder Herausforderung gewachsen sei. Man müsse positiv und kämpferisch bleiben. „Wenn du deinen Gefühlen nachgibst, bist du bei dem brutalen Wettbewerb heutzutage immer der Verlierer.“
Chris, die nur mit halbem Ohr zugehört hatte, trank ihre Schorle aus und ging hinüber zum Büffet. Es war sehr fleischreich und alles andere als vollwertig. Sie nahm sich Pommes frites und Gewürzgurken und knabberte, neben dem Büffet stehend, mißmutig darauf herum. Sehnsüchtig dachte sie an die leckeren Dinge aus dem Bioladen, die zu Hause in der Küche auf sie warteten.
Sie stellte den Teller wieder weg und irrte etwas ziellos durch den Garten. Die meisten Gäste saßen essend und biertrinkend an den Tischen, einige tanzten auf der Terrasse neben dem Schwimmbecken. Der Abend war sternenklar. Ein kühler Wind kam auf, der ein paar Papierservietten über den Rasen wehte. Chris fröstelte. Als sie Jonas entdeckte, der von der Straße her auf sie zukam, war sie ganz erleichtert.
„Und, hast du etwas erfahren?“ fragte sie. „Der Diensthabende in ihrem Kommissariat wußte nur, daß sie gerade in der Uniklinik operiert wird. Aber immerhin lebt sie noch.“ Er führte Chris ein Stück von den anderen Leuten weg an den Rand des Gartens. „Susanne hat mich am Telefon vor Kettler gewarnt, und ausgerechnet der ist hier nun Einsatzleiter. Ich habe
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