Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe

Titel: Wendland & Adrian 01 - Schattenwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
Vom Netzwerk:
er seinen Rat nicht befolgt hatte, und schickte ihm deshalb Alpträume. Aber Josef brauchte das Geld so dringend. Zum ersten Mal war er damals, kurz bevor General Jaruzelski das Kriegsrecht verhängt hatte, nach Deutschland gegangen. Nach der Öffnung der Ostgrenzen kehrte er nach Polen zurück und machte seine eigene Schlosserei auf, doch die Sache ging gründlich schief. Jetzt wollte er einen zweiten Anlauf wagen, zusammen mit seinem Schwager: ein eigener Installateursbetrieb in seinem Heimatort Lesko. Bitte, Gott, erlaube mir noch diesen Sommer. Dann habe ich genug Geld verdient und setze mich bestimmt nie wieder auf einen Bagger. Josef hockte sich etwas abseits von den Deutschen zu Mehmet. Sie schienen heute gutgelaunt zu sein, friedlich, und quatschten über Fußballergebnisse. Willi verzichtete darauf, einen seiner Polacken- oder Türkenwitze zum besten zu geben. Josef war der einzige polnische Baggerfahrer auf der Baustelle. Lohmanns andere Polen - sie waren alle in Baracken außerhalb von Buchfeld untergebracht, wo sie nur ein Plumpsklo hatten und sich das Wasser aus einem Bach holen mußten - arbeiteten in der Kolonne weiter hinten oder auf anderen Baustellen. Den Job als Baggerfahrer hatte ihm noch Thönnes selbst gegeben.
    „Da Jung is‘ zuverlässig, den kann ich brauchen“, hatte Thönnes damals gesagt, doch der „Alte“, wie er in der Firma nur genannt wurde, ließ sich nach seinem Herzinfarkt im vorigen Jahr kaum noch draußen blicken. Das machte jetzt alles Lohmann, sein Schwiegersohn.
    „He, Gastarbeiter, willste ein Bier?“ rief Willi grinsend zu ihm herüber und hielt eine Flasche hoch. „So was Gutes gibt‘s bei euch in Polen nicht!“ Im Gegensatz zu Mehmet verstand und sprach Josef sehr gut deutsch. Aber er sagte nichts, setzte einfach nur ein etwas dümmliches Lächeln auf und schüttelte den Kopf. „Ach ja, deine heilige Madonna erlaubt dir ja nur Kamillentee und Buttermilch.“ Willi grinste noch breiter. Die anderen lachten, bis auf Mehmet und Krossner, der gereizt Zigarettenrauch ausblies. Sich von Willi provozieren zu lassen, war gefährlich. In der vorigen Woche hatte er nach der Arbeit Selim krankenhausreif geschlagen, weil der Rassistenschwein zu ihm gesagt hatte. Lohmann hatte getobt deswegen, nicht aus Mitgefühl für Selim, sondern weil der Mann nun für zwei Wochen ausfiel.
    „Willi, fang mir bloß nicht wieder Scheiß an“, brummte Krossner. „Du weißt doch, wie der Chef beim letzten Mal im Dreieck gesprungen ist. Also, laß mir unseren Polacken in Ruhe.“
    Mit gesenktem Blick trank Josef seinen Früchtetee. Diesen Sommer noch, dann würde er in seine Heimat zurückkehren, das ganze Jahr über bei seiner Frau und den Kindern sein. Er drehte den Kopf von den Deutschen weg und betrachtete die Trasse, die sie durch die Landschaft gruben, eine fünfzig Meter breite Schneise der Verwüstung. Ja, es war ganz bestimmt Sünde, was sie hier taten. „So! Auf!“ rief Krossner. „Weitermachen!“
    „Langsam, langsam“, sagte eine Stimme hinter ihnen. Josef und die anderen drehten sich um. Ein Mann stand dort, nur ein paar Meter entfernt, ungefähr in der Richtung, in der Josef vorhin im Wald die Wölfe zu sehen geglaubt hatte. Offenbar stand er schon eine Weile dort und beobachtete sie, aber weil keiner von ihnen in diese Richtung geschaut hatte, hatten sie ihn nicht bemerkt. Der Mann war groß wie ein Bär und rothaarig. Er hatte Bartstoppeln im Gesicht und sah aus, als hätte er ein paar Tage im Freien geschlafen, draußen im Wald. „Was tun Sie hier?“ fragte Krossner. Josef hörte die Unsicherheit in der Stimme des Vorarbeiters, der offenbar nicht wußte, ob der Fremde zu jenen gehörte, denen gegenüber man sich besser unterwürfig verhielt, wie Lohmann oder die Bauingenieure, oder ob aggressives Auftreten angebracht war.
    „Was tut ihr hier?“ entgegnete der Mann. „Mit welchem Recht stört ihr den Frieden der Bäume und der anderen blättertragenden Wesen, den Frieden der Achtbeinigen, Sechsbeinigen und Vierbeinigen, und den Frieden der Geflügelten?“
    Josef war sich sicher, daß er die Worte des Mannes verstanden hatte, aber sie ergaben für ihn keinen rechten Sinn. Beim Sprechen wiegte er auf sehr eigenartige Weise seinen Kopf hin und her, was ihn noch bärenhafter wirken ließ.
    Krossner war aufgestanden. „Sind Sie ... von den Grünen, oder von der Presse?“ fragte er vorsichtig. „Ich will deinen Chef sprechen“, sagte der Mann. „Diesen Menschen

Weitere Kostenlose Bücher