Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
nicht gerade vor Ehrfurcht zusammenbrachen, sagte: »Die Schädel sprechen selbstverständlich nicht zu jedem. Eine gewisse spirituelle Aufgeschlossenheit braucht es schon. Natürlich, wenn unter Ihnen eine echte, nach alter indianischer Tradition ausgebildete Schamanin wäre, würde sie den Wert dieser heiligen Schädel sofort erkennen.«
Chris bemühte sich nach Kräften ein Grinsen zu unterdrücken. Endlich mal ein Kölner, der mich noch nicht kennt, registrierte sie erfreut. Nun ja, Herzogenforst lag ja auch weit von der Innenstadt entfernt. Und vielleicht war Thürmann ein Zugereister. Rheinisch eingefärbt klang sein Deutsch jedenfalls nicht. »Was sagen sie denn so, die Schädel?«, wollte sie wissen. »Ich meine, zu den Leuten, mit denen sie sprechen.«
»Oh, medial begabte Menschen sehen Dinge in ihnen. Manche sehen Szenen aus früheren Zivilisationen hier auf der Erde, aus dem versunkenen Atlantis etwa, aber auch Ufos und Außerirdische. Es wird vermutet, dass die Kristallschädel Speicher für uraltes Wissen der Menschheit sind, so, wie die Siliziumkristalle in Computern Informationen speichern. Aber auch bei diesen Schädeln gibt es gewisse Hierarchien. Schädel wie diese beiden hier, die mir von meinen Maya-Freunden in Belize geschenkt wurden, sind in den letzten Jahren in größerer Zahl aufgetaucht. Auf ihnen allen sind deutliche Bearbeitungsspuren menschlicher Werkzeuge zu erkennen. Sie wurden im Lauf der Jahrhunderte von schamanischen Kunsthandwerkern in Mittelamerika angefertigt und werden ›sprechende Schädel‹ genannt. Und dann gibt es noch die Dreizehn.«
»Die Dreizehn?«, fragte Chris verwundert.
»Nun, die dreizehn singenden Schädel.« Er sagte es mit einer herablassenden Selbstverständlichkeit, als seien Leute, die noch nie davon schon gehört hatten, hoffnungslos uninformiert. »Sie sind viel älter. Niemand weiß, wie alt. Nur wenige von ihnen sind bislang aufgetaucht, die meisten werden immer noch an geheimen Orten gehütet. In den beiden Amerikas, aber auch, wie es heißt, in Afrika, von den Aborigines in Australien und von heiligen Mönchen in Tibet. Bei den Indianern im Südwesten der USA ebenso wie in Mittelamerika gibt es eine alte Legende, wonach diese dreizehn Schädel angeblich außerirdischen Ursprungs sind.«
Susanne konnte herrlich skeptisch gucken. Das tat sie jetzt und sagte: »Na, das klingt ja reichlich abgefahren. Däniken lässt grüßen, Herr Thürmann?«
»Ich habe in der Tat alle Däniken-Bücher gelesen«, sagte Thürmann ungerührt, »aber die Indianer, die diese Legende erzählen, nicht. Und interessant ist, dass sie von ganz unterschiedlichen Stämmen erzählt wird, die tausende Kilometer voneinander entfernt leben. Jedenfalls heißt es in dieser Legende, dass es in dieser Galaxis vor langer Zeit eine hoch stehende menschliche Zivilisation gab. Diese Außerirdischen wohnten auf zwölf Planeten in den Plejaden, im Orion und beim Hundestern Sirius. Diese Sternenmenschen waren keine Götter, sondern gewöhnliche Menschen mit ihren eigenen Schwächen und Stärken. Irgendwann muss sich eine große galaktische Katastrophe ereignet haben, möglicherweise von diesen Sternenmenschen selbst verursacht – ein unvorstellbar schrecklicher Krieg vielleicht –, bei der ein großer Teil dieser Zivilisation vernichtet wurde. Die Überlebenden schufen dreizehn Kristallschädel, in denen sie das gesamte Wissen, alle Weisheit ihrer untergegangenen Zivilisation speicherten ...«
»So!«, ächzte Susanne, »dann wollen Sie wohl am Ende behaupten, auch der Kristall, den ich gefunden habe, sei außerirdischen Ursprungs!«
»Warum nicht? Ich halte das für absolut möglich.«
Sie fingerte nervös in ihrer Jackentasche herum. »Darf man hier rauchen?«
»Natürlich«, sagte Thürmann. »Immerhin stammt der Tabak ja aus Amerika, und dort gilt er als heilige Pflanze.«
Während sich Susanne sichtlich erleichtert eine ansteckte, stieg in Chris ein fröstelndes Unbehagen hoch. Die Bilder aus ihrem Silver-Bear-Traum drangen ungebeten, aber machtvoll in ihr Bewusstsein. Der fremde Himmel, zu dem sie in diesem und anderen Träumen immer wieder aufsah, die fremden Sternbilder – und Sternenschiffe ...
Hier in dem mit Todessymbolen, grinsenden Götterschädeln, Speeren und höchstwahrscheinlich gestohlenen Grabbeigaben angefüllten Büro wurde es ihr plötzlich zu eng, als stünde sie tatsächlich mitten im Grab einer rätselhaften, dunklen Vergangenheit. Die Morgensonne drang
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