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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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stehen, auf dessen Menschenkörper der Kopf einer mächtigen Raubkatze saß, die ein ziemlich unsympathisches Gebiss entblößte.
    »Balam«, sagte Thürmann.
    »Bitte?«
    »Balam«, wiederholte Thürmann. »Das Maya-Wort für Jaguar. Er nimmt in ihrer Mythologie einen wichtigen Platz ein.«
    »Ach so.« Balam ? Dieses Wort hatte doch die Frau aus Jonas’ unheimlicher abendlicher Begegnung benutzt, von der er Chris berichtet hatte, bevor er in die Eifel zurückgefahren war.
    »Was kann ich denn nun für Sie tun?«
    »Ich ermittle derzeit in einem Fall von Gewaltkriminalität«, antwortete Susanne. »Dabei bin ich auf einen sonderbaren Gegenstand aus Bergkristall gestoßen und dachte, ein Kristallexperte wie Sie könnte mir da vielleicht weiterhelfen.«
    »Kann ich den Gegenstand mal sehen?«
    Susanne schüttelte den Kopf. »Später lässt sich das sicher machen. Zurzeit befindet er sich noch in unserem Labor.« Dann gab sie Thürmann eine detaillierte Beschreibung, wobei es Chris wieder einmal beeindruckte, was für eine präzise Beobachterin Susanne war. So, wie sie das Ding beschrieb, stand es einem ganz plastisch vor Augen.
    Thürmann wühlte in dem Chaos auf seinem Schreibtisch, wo Schriftstücke, Bücher, kleine Figuren und Kultgefäße einen dschungelartigen Wust bildeten. Dann hielt er ihnen einen Bogen Papier hin, auf dem allerlei fremdartige, faszinierende Piktogramme abgebildet waren, jeweils mit englischen Erläuterungen. »Die Hieroglyphen auf der Rückseite – haben sie so ausgesehen?«
    »Ja«, sagte Susanne sofort. »Genau so.«
    »Das ist die klassische Maya-Schrift. Jedenfalls vermutet man, dass sie von den Maya entwickelt wurde. Sie könnten sie aber auch von einem noch älteren Volk übernommen haben. Zweifellos handelt es sich bei dem fraglichen Gegenstand um einen Artefakt aus Mittelamerika. Wenn sich herausstellt, dass er aus der klassischen Maya-Periode stammt, ist er möglicherweise von beträchtlichem Wert.«
    »Leider ist unser Labor nicht in der Lage sein genaues Alter zu bestimmen. Und die Metallfassung des Kristalls besteht aus einer völlig unbekannten Legierung.«
    Für einen Moment erinnerte Thürmanns Gesichtsausdruck Chris an ein Raubtier, das Blut geleckt hat. »Tatsächlich? Wirklich bemerkenswert. Zu dumm, dass ich keinen Blick darauf werfen kann.«
    Er ging in die hinterste Ecke seines Arbeitszimmers. Erst jetzt bemerkte Chris, dass dort ein kleiner Stahltresor stand, halb verdeckt hinter zwei grimmig dreinschauenden Steingöttern, die aussahen, als würden sie jeden in Stücke reißen, der sich unbefugt dem Tresor zu nähern wagte. Die Tresortür schwang auf und Thürmann nahm die beiden Kristallschädel heraus, mit denen er für die Zeitung posiert hatte. »Sieht der Kristall aus wie diese hier?«
    Die beiden Schädel hatten ungefähr die Größe doppelter Männerfäuste. Er trug sie zum Schreibtisch und zeigte sie Chris und Susanne mit spürbarem Besitzerstolz. Es handelte sich um ziemlich plumpe, grob stilisierte Nachbildungen menschlicher Schädel, deren Kristall trüb war, als sei er mit Nebel gefüllt.
    »Nein«, sagte Susanne, »so weit ich sehen konnte, ist er fast völlig klar. Das sind die beiden Schädel, die in dem Zeitungsartikel über Sie erwähnt werden, nicht wahr?«
    »Ah, freut mich, dass Sie ihn gelesen haben. Das meiste, was hier herumsteht, ist ziemlich wertloser Plunder, den ich hauptsächlich aus Sentimentalität aufbewahre. Wegen der damit verbundenen Reiseerinnerungen an Belize, Guatemala und Yucatän. Aber diese beiden hier sind wirklich wertvoll.«
    Dass alles andere in diesem Raum bloße Reiseandenken sein sollten, nahm Chris ihm nicht ab. Dazu waren viele Statuen dann doch zu groß und schwer. Sie glaubte auch nicht, dass es sich um billige, für Touristen gefertigte Nachahmungen handelte. Und sie spürte, dass sie den Raum mit einer dunklen Aura erfüllten – Zeugnisse einer Kultur, in der der blutige, gewaltsame Tod offenbar eine beherrschende Rolle gespielt hatte.
    »Hier. Nehmen Sie sie ruhig einmal in die Hand.« Er hielt ihnen die Schädel hin. Chris griff zögernd zu. Der Kristall fühlte sich kühl an, aber ansonsten hatte sie nicht das Gefühl, dass irgendetwas Besonderes von ihm ausging. Waren diese Schädel wirklich so wertvoll, wie Thürmann behauptete?
    Chris wog ihn einen Moment in ihren Händen und gab ihn Thürmann zurück. Auch Susanne wirkte nicht sehr beeindruckt, fast etwas enttäuscht.
    Thürmann, der wohl merkte, dass sie

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