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Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Wendland & Adrian 03 - Nachtauge

Titel: Wendland & Adrian 03 - Nachtauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Görden
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sein. Sonst kann ich nichts über ihn herausfinden.« Chris schob trotzig das Kinn vor.
    Sie standen im Wohnzimmer des Jagdhauses. Jonas widerstrebte es sichtlich, Chris allein zu lassen, nachdem er erfahren hatte, was in Feltens Büro passiert war.
    »Was ist, wenn du wieder ohnmächtig wirst?«, fragte er besorgt.
    »Ich mach’s hier im Wohnzimmer, auf dem Sofa. Da kann ja wohl nix passieren. Außerdem ist Mister Brown bei mir und passt auf. Beim letzten Mal hat er mich schließlich auch wachgeleckt.«
    Jonas seufzte und zuckte die Achseln. »Du mit deinem Dickkopf! Na gut.« Er schaute Mario an, der unsicher an der Wohnzimmertür stand. »Magst du dich denn für eine Weile von deinem kostbaren Kultobjekt trennen?«
    »Ich vertraue Chris«, sagte Mario. »Außerdem – welche andere Möglichkeit habe ich, mehr über den Schädel herauszufinden – und über mich?«
    Sie waren vor einer guten halben Stunde angekommen, hatten mit Jonas in der Küche Tee getrunken und ihm von der Testamentseröffnung berichtet.
    »Okay«, sagte Jonas. »Dann führe ich Mario in der Zeit ein bisschen herum. Wir können auch im Waldsee schwimmen gehen. Das Wasser ist schön warm, denn es hat den ganzen Tag die Sonne geschienen.«
    »Ja, warum nicht?«, sagte Mario. Er zögerte einen Moment, starrte auf den Holzkoffer mit dem Schädel darin, den er in den Händen hielt. Dann gab er ihn Chris. »Ich bin sehr gespannt, was du herausfindest.«
    Als sie endlich allein war, von Mister Brown abgesehen, schloss Chris die Fensterläden des Wohnzimmers, sodass nur noch wenig Tageslicht von draußen hereinrieselte. In dieser Dämmerung setzte sie sich aufs Sofa und stellte den Koffer neben sich hin.
    Ihr Herz begann wieder zu klopfen. Sie erinnerte sich genau daran, was Silver Bear in dem sonderbaren Traum zu ihr gesagt hatte: Du wirst bald einen heiligen Gegenstand in deinen Händen halten, der vor langer Zeit geschaffen wurde. Er wird wie ein Katalysator für deine Erinnerungen sein. War der Kristallschädel dieser Gegenstand? Sie dachte an das starke körperliche Unbehagen, das sich bei ihr eingestellt hatte, als Marc Thürmann die Legende von den dreizehn Schädeln erzählt hatte.
    Sie horchte in sich hinein. Abgesehen von einer gewissen nervösen Anspannung fühlte ihr Körper sich gut an. Sie zögerte. Was war, wenn der Kristall ihr Bilder zeigte, die ihr nicht gefielen? Sie dachte daran, wie bei der Trancereise in Marios Zimmer die Kristalle ihres Schamanen-Tunnels von Bildern aus einem fremden Bewusstsein überflutet worden waren. Ich will ich selbst sein, dachte Chris. Ich will kein Spielball für fremde Erinnerungen und Visionen sein. Warum muss ich Bilder sehen, die ich nicht sehen will? Und doch ... Sie fühlte, dass sie sich nicht weigern konnte.
    Mit einem lauten Seufzer öffnete sie den Koffer und nahm den Schädel mit beiden Händen heraus. Diesmal geschah nichts. Jedenfalls kam es nicht zu Energieausbrüchen oder Ohnmachtsanfällen. Der große, unglaublich kunstfertig geschliffene Kristall lag kühl in ihren Händen. Als hielte sie ein Stück geronnenen Nebel zwischen den Fingern, sah sie ihn nur schemenhaft. Das durch die Fensterritzen dringende Sonnenlicht schien er aufzusaugen und tief in seinem Inneren in ein schwaches Glitzern zu verwandeln.
    Es war tatsächlich die exakte Nachbildung eines menschlichen Schädels in natürlicher Größe. Chris konzentrierte sich auf die durchscheinend schimmernde Wölbung der Schädeldecke. Sie versuchte darin irgendwelche Bilder zu sehen, wie eine Wahrsagerin, die in ihre Kristallkugel schaut. Das probierte sie zum ersten Mal, denn es war nicht Bestandteil von Silver Bears Ausbildungsprogramm gewesen.
    Sie sah nichts. Nur die schwachen Lichtreflexe der Sonnenstrahlen, die durch die Fensterritzen fielen. Keine Bilder. Sie spürte auch keine besonderen Energien, sodass sie sich fragte, warum sie beim ersten Anblick des Schädels ohnmächtig geworden war. Hatten ihr da etwa bloß ihre Nerven einen Streich gespielt? Dabei konnte sie sich doch im Allgemeinen stets auf ihre körperliche Robustheit verlassen!
    Sie starrte und starrte, doch alles, was sich ihr zeigen wollte, war ein klarer, wie ein Schädel geformter Kristall. Sonst nichts. Entspann dich, dachte sie. Wenn du etwas unbedingt willst, verkrampfst du dich und stehst dir damit selbst im Weg. Sie löste ihren Blick von dem Schädel, ließ ihn durchs abgedunkelte Zimmer schweifen und atmete einige Male tief und langsam in den Bauch, damit

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