Wendland & Adrian 03 - Nachtauge
Geldgeber im Hintergrund, mit denen wir aber nie persönlich zu tun hatten. Denen waren die Indianer, besonders die renitenten und kriegerischen Balam-Leute, bei der Erschließung des Dschungels im Weg.
Mit unserer kleinen Todesschwadron und auch selbst bis an die Zähne bewaffnet, kehrten wir über die grüne Grenze nach Belize zurück. Die Balam-Männer scharten sich um den Tempel, um ihn zu verteidigen. Es waren zufällig einige Mitglieder einer anderen Sippe bei ihnen zu Besuch, die ihnen halfen. Unseren automatischen Waffen hatten sie nichts entgegenzusetzen. Wir hielten drauf und die Balam-Männer und ihre Besucher starben alle im Kugelhagel. Lediglich die Frauen und Kinder ließen wir in den Dschungel entkommen.«
»War Tula unter ihnen?«
»Felten hielt nach ihr Ausschau, aber wir entdeckten sie nicht. Vermutlich hatte sie sich einer anderen Sippe angeschlossen. Denkbar, dass sie nach der Vergewaltigung in ihrer eigenen Sippe als unrein galt. Ich weiß es nicht. Jedenfalls war sie nicht dort.«
»Und dann haben Sie den Tempel geplündert.«
Thürmann trank einen kräftigen Schluck Whisky. »Wir stiegen über die Leichen hinweg und stürzten uns wie Geier auf unsere Beute. Felten wollte nur den Schädel. Schon vor dem Überfall hatte er uns gedrängt ihm den Schädel zu überlassen. Als einzigen Anteil. Wir waren einverstanden, denn der Tempel war voll mit anderen Artefakten. Sollte er ruhig den Schädel haben, wenn wir dafür den ganzen Rest bekamen!«
»Was geschah dann weiter? Wenn der Tempel wirklich so kostbare Schätze enthielt, müssten Sie doch heute eigentlich alle steinreich sein.«
»Müssten wir das?« Thürmanns Lachen klang bitter. »Uns wurde schnell klar, dass an all diesen Kultgegenständen das Unglück klebte wie ein böser Fluch. Keiner von uns anderen bekam wirtschaftlich festen Boden unter die Füße. Das Geld, das wir mit dem Verkauf unserer Beute verdienten, zerrann uns zwischen den Fingern. Roger Bishop, die Eberhards und ich – wir sind unseres Lebens seither nicht mehr wirklich froh geworden.«
»Und Sie mussten zusehen, wie Felten eine glänzende Karriere machte.«
»Ungerecht war das! Aber ist das Schicksal jemals fair zu uns Sterblichen? An seinen Händen klebte das Blut genau wie an unseren und immerhin war er es doch gewesen, der den alten Engländer kaltblütig ermordet hatte, dem wir unseren Schatzfund verdankten. Doch dann schlüpfte er in den Deckmantel bürgerlicher Anständigkeit und erntete einen beruflichen Erfolg nach dem anderen. Mit Bishop und mir wollte er von da an nichts mehr zu tun haben, nur den Eberhards gelang es irgendwie, mit ihm befreundet zu bleiben.«
»Und Mario?«, fragte Susanne. »In seinem Testament behauptet Felten, ein etwas merkwürdiger Indianer mit Goldzähnen, der sich als Marios Onkel ausgab, habe den Jungen zu ihm gebracht.«
»Da sagt er ausnahmsweise mal die Wahrheit«, antwortete Thürmann. »Jedenfalls kenne ich die Geschichte so auch von den Eberhards. Dieser Indianer brachte den Jungen, Nachtauge, zu Felten und ließ ihn einfach dort.«
»Aber wieso hat Felten das akzeptiert? Im Testament begründete er es damit, er habe einen Leberfleck auf Marios Kehrseite wieder erkannt, und zwar von Fotos, die Tula ihm aus dem Dschungel geschickt habe.«
Thürmann winkte verächtlich ab. »Ich wette, das ist Teil des Lügengebäudes, mit dem er seinen Ruf für die Nachwelt zu retten versuchte. Warum hätte Tula ihrem Vergewaltiger und dem Mörder ihres Vaters Fotos schicken sollen? Nein. Für die Eberhards war es ein Rätsel, dass Felten den Jungen einfach als sein Fleisch und Blut akzeptierte – auch wenn er es nach außen natürlich vertuschte. Sie vermuteten, der Indianer habe ihm mit irgendetwas gedroht. Angesichts der rechtlich schwachen Situation der Urwaldindianer erscheint es mir aber höchst unwahrscheinlich, dass ein Indianer einem in Belize City einflussreichen Manager wie Felten ernsthaft Schwierigkeiten hätte machen können.« Er schüttelte mit einem schiefen Grinsen den Kopf. »Ich vermute, der Indianer hat Felten verhext.«
Hexerei und Magie, wohin man schaute. Susanne stöhnte. »Das werden wir wohl nicht mehr herausfinden«, sagte sie. »Okay, dann machen wir mal einen großen Sprung in die Gegenwart. Was hat Sie denn aus Belize schließlich nach Köln verschlagen, in Feltens Nähe? Oder ist das reiner Zufall?«
»Die Balam-Leute würden vermutlich sagen: Es gibt keine Zufälle. Ja, ich bin bewusst hierher gezogen.
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