Weniger Arbeit mehr Gemuese mehr Sex - Roman
die Telefone sind schon alle verbrannt!, denke ich hysterisch. Entsetzt rufe ich unsere eigene Nummer an. Dieselbe Ansage. HILFE !!! So, wie der Taxifahrer fährt, wird er bis zu unserem Haus noch mindestens zehn Minuten brauchen. Diese zehn Minuten werde ich nicht überleben. Gestern erst habe ich aus gegebenem Anlass die Symptome für Herzinfarkt bei Frauen gegoogelt. Übelkeit, Atemnot, Schmerzen in Schultern, Bauch und Kiefer – es passt alles.
Sagen Sie meinem Mann, dass ich ihn immer geliebt habe!, will ich dem Taxifahrer mit ersterbender Stimme zurufen.
Doch dann merke ich, dass ich dabei nicht etwa Thomas, sondern Benno im Kopf habe. Meine Hirnwindungen haben sich kurzfristig dagegen entschlossen, mir im Moment des Todes einen feierlichen Rückblick auf handverlesene Highlights meines Lebens zu gönnen. Offenbar halten sie es für pädagogisch wertvoller, ein letztes Mal gnadenlos auf meinen verpassten Chancen rumzuhacken.
Ich stöhne leise auf und presse meine Hände auf die Augen. Nichts mehr sehen, nichts mehr sagen, nichts mehr hören. Friede meiner Seele.
»Sie, jetzt tun’s mir fei net in mei Audo spein!«, schimpft der Taxifahrer. Mit quietschenden Reifen hält er an. Genau vor unserer Haustür. Schlotternd starre ich auf die Fassade.
Nichts. Keine Flammen, die aus schwarzen Fensterhöhlen lodern, keine Feuersbrunst im Dachstuhl. Noch nicht mal bedrohlich schwarzer Rauch aus unserem Wohnzimmerfenster.
Folglich auch keine Feuerwehrkompanie, keine Schläuche, keine Sprungtücher. Alles, was ich entdecken kann, ist ein VW-Kombi in den Telekom-Farben und einen Techniker, der sich an dem Verteilerkasten neben unserem Haus zu schaffen macht.
Mit zitternden Händen bezahle ich den Taxifahrer und stürze die Treppe hinauf. Aber ich habe den Adventskranz angelassen, da bin ich mir völlig sicher. Oder fange ich etwa langsam an durchzudrehen, vor lauter Knotenangst und Stress und überhaupt?
Schon eine Etage unter unserer Wohnung höre ich Belmondo miauen. Mit letzter Kraft sprinte ich die Stufen hoch und schließe die Tür auf. Belmondo schießt heraus, dicht gefolgt von einer grauen Qualmwolke.
Todesmutig stürze ich in die Wohnung. Sandra Heller, sie gab ihr Leben, um die Katastrophe noch abzuwenden.
Obwohl. Das wird vielleicht doch nicht erforderlich sein. Zu meiner gigantischen Erleichterung züngeln mir nämlich nirgends Flammen entgegen. Also stürme ich ins Wohnzimmer. Auch dort kein Feuer. Nur ziemlich viel Rauch.
Hustend reiße ich die Fenster auf. Ein paar verkohlte Hortensienblüten wehen an mir vorbei ins Freie. Zögernd richte ich meinen Blick auf den Adventskranz. Oder besser gesagt auf das, was mal ein Adventskranz gewesen ist. Was hat Martina neulich gesagt? Mind makes reality.
Wenn das wirklich so ist, hat mein Unterbewusstsein ganze Arbeit geleistet. Über das rosa Monster werde ich mich jedenfalls nicht mehr ärgern.
Und übrigens auch nicht mehr über den Couchtisch. Die Granitplatte ist zwar unversehrt und prunkt in altvertrauter Hässlichkeit – aber sie hat mich vor der sicheren Katastrophe bewahrt. Ich werde ihr ewig dankbar sein.
22
A m nächsten Morgen sind die Biopsie-Ergebnisse da. Alles in Ordnung. Nur eine Zyste. Ich kann es kaum glauben. Erst diese schreckliche Angst, der furchtbare Albtraum, die Beinahe-Katastrophe zu Hause – und auf einmal ist alles gut! Die himmlischen Mächte haben sich offenbar doch dazu durchgerungen, mir mildernde Umstände zu gewähren.
Jedenfalls fühle ich mich neu und frisch, quasi wie Phönix aus der Asche. Im wahrsten Sinne des Wortes übrigens, denn der Adventskranz ist in dieser Hinsicht erstaunlich ergiebig gewesen.
»Mein Flehen ist erhört worden, das Schicksal hat mir noch eine Chance gegeben!«, jubele ich Thomas zu, als er am Abend nach Hause kommt. Der Arme, nach der Zitterpartie der letzten Tage, dem Zimmerbrand und dem Totalverlust seines rosa Hortensienhaufens sieht er ziemlich geschafft aus.
Ich werde das alles, alles wiedergutmachen, schwöre ich mir und ihm mit aller Inbrunst, deren ich fähig bin.
Das Gefühl, dem Schicksal ein drittes Mal so gerade eben von der Schippe gesprungen zu sein, in Kombination mit einem sagenhaft schlechten Gewissen Thomas gegenüber lassen in mir den eisernen Willen wachsen, mein Leben nun wirklich und wahrhaftig von Grund auf zu ändern. Und das ist nicht so leichthin dahergeplappert wie damals im Krankenhaus und am Flughafen auf dem Weg nach La Palma. Nein, diesmal habe ich meine
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