Weniger arbeiten, mehr leben
angenommen – dort kommt es weniger darauf an festzustellen, was die berufliche Kernkompetenz ist, als vielmehr, diese von allen Dingen zu trennen, die nicht unmittelbar dazugehören. Wenn Sie dennoch Schwierigkeiten mit der Frage »Was will ich und was kann ich eigentlich am besten?« haben, hilft Ihnen Kapitel 9 weiter.
Doch zurück zu den überflüssigen Dingen. Klar dürfte zunächst Ihr Ziel sein, in Zukunft weniger Zeit in Staus und Meetings zu verbringen. Die ganz großen Killer und Zeitfresser liegen jedoch in dem begründet, was wir einmal als die Kultur des »Over-Servings« bezeichnen wollen, die sich in unserer Hochleistungs-Arbeitswelt festgesetzt hat. Darunter fällt alles, was »man macht« weil es »irgendwie wichtig« erscheint oder »später einmal nützlich« werden könnte. Dabei geht es um Mitgliedschaften in irgendwelchen Branchen-Clubs, in denen Sie ohnehin noch nie die Menschen getroffen haben, die Sie gerne sehen würden, um Zusatzaufgaben im Büro, von denen Sie hoffen, dass (aber nie genau wissen, ob) sie beim Chef ankommen, und um Zusatzqualifikationen, die entweder rasend schnell veralten oder in Wahrheit doch nie gebraucht werden und deshalb überflüssig sind nach dem Motto: »Warum nicht Japanisch lernen. Ist doch ein wichtiges Land, oder?«
Welche von diesen Dingen für Ihren Job, für Ihren weiteren Berufsweg wirklich wichtig und welche überflüssig sind, können nur Sie alleine entscheiden. Legen Sie zu diesem Zweck eine Liste mit allen Aktivitäten an, die Sie im Laufe eines Arbeitstages wie auch -monats beschäftigen. Bei jedem dieser einzelnen Punkte sollten Sie sich jetzt und in Zukunft zunächst fragen: »Trägt das zur Ausbildung und Schärfung meiner Kernkompetenz bei? Kurz gesagt: Verdiene ich damit auf absehbare Zeit Geld?« Falls nicht: gestrichen. Im Wesentlichen geht es dabei um folgende Dinge:
|121| Alles, wo Sie früher gesagt haben, »Das halse ich mir auch noch auf – könnte ja mal wichtig werden«.
Alles, was Sie früher übernommen haben, um den Chef, den Vorstand, Ihren Partner oder sonst wen zu beeindrucken – aber schon bei der Einwilligung spürten, dass es sich dabei im Grunde doch wieder um einen Eselsjob handelt.
Alle Seminare, Fort- und Weiterbildungen, bei denen Sie sich schon in der Vergangenheit in diesen verqualmten Landhotels am Wochenende insgeheim gefragt haben, an welche Stelle Ihres Lebenslaufs sie passen könnten – und ob überhaupt.
Eine mindestens genauso wichtige Frage, die Sie sich im Anschluss daran stellen müssen: Was fällt nicht unter diese Auslese?
Zum einen alle Dinge, die dazu beitragen, dass Sie sich in Ihrem Kompetenzfeld weiterbilden – denn natürlich müssen Sie auch in Zukunft darauf achten, dass Ihr Fach- und Spezialwissen auf der Höhe der Zeit bleibt. Es ist und bleibt Ihr Kapital, das Benzin im Wagen, mit dem Sie ans Ziel Ihres Downshifting-Plans gelangen. Zum anderen ist es natürlich auch möglich, dass Sie neben Ihrer bisherigen Kernkompetenz (die Sie vielleicht nicht bis in alle Ewigkeit ausüben möchten) ein weiteres Feld aufbauen möchten; das könnte ein zusätzlicher Bereich sein, der für Ihren weiteren Berufsweg von entscheidender Bedeutung ist.
Denken Sie ganz einfach immer an das Bild von Ihrem neuen Auto oder fahrbaren Untersatz. Auch wenn es darum geht, den Wagen zu finanzieren, Kosten zu sparen und die vorhandenen Mittel möglichst sinnvoll einzusetzen, eines sollten Sie unbedingt vermeiden: zu lernen, wie die Bordelektronik funktioniert oder wie man die Zylinderkopfdichtung repariert. Einen Reifen- oder Ölwechsel selbst durchzuführen macht Sinn. Alles, was darüber hinausgeht, sollten Sie den Spezialisten überlassen, die dafür ausgebildet wurden.
Sehr wahrscheinlich müssen Sie in diesem Zusammenhang auch berufliche Ziele ad acta legen: Zusatzaufgaben, die üblicherweise für Renommee im Büro oder in den so genannten »Fachkreisen« sorgen, sind jetzt nicht mehr zu schaffen. Es sollte nicht schade drum sein – denn genau das sind die Dinge, die Sie früher von Wichtigerem abgehalten haben. |122| Und: Sie sollten sich auf kritische Stimmen einstellen, auf Fragen wie »Kann ein Software-Entwickler/eine Beraterin/ein Rechtsanwalt mit reduzierter Wochenarbeitszeit überhaupt qualitativ einwandfreie Ergebnisse abliefern?« In solchen Fällen parieren Sie mit der Gegenfrage: »Kann ein Autohersteller, der die Bewirtung der Kantine durch eine externe Firma durchführen lässt, anständige Autos
Weitere Kostenlose Bücher