Wenn alle anderen schlafen
konzentrier dich.
Was weißt du über diese Frau?
Sie hat meine Größe, mein
Gewicht, meine Figur, aber sie hat nicht den gleichen Hautton wie ich, und ihr
Haar ist vermutlich honigblond. Sie ist nicht schüchtern, scheut sich nicht,
mit einem wildfremden Mann ins Bett zu steigen. Sie ist eine unverfrorene und
überzeugende Lügnerin. Sie ist so wütend, daß es sich einem zufälligen
Beobachter durch ihre Körpersprache mitteilt. Sie ist kaltblütig genug, um bei
Clive Benjamin und bei mir einzubrechen und unsere Sachen zu durchstöbern,
obwohl sie nicht wissen kann, wie lange wir außer Haus sind. Sie hat,
jedenfalls mir gegenüber, Reue gezeigt und vielleicht in dem Moment sogar
empfunden.
Was vermutlich bedeutete, daß
sie extremen Stimmungsschwankungen unterlag, daß sie emotional, wenn nicht
sogar in einem umfassenderen Sinn psychisch labil war.
Diese neuerliche Invasion — wie
hatte sie das gemacht? Die Packzettel, die einer der Sendungen beilagen, besagten,
daß die Order telefonisch erfolgt war, also galt das wahrscheinlich auch für
die anderen Bestellungen. Aber wie war sie an meine Kreditkartennummern
gekommen?
Natürlich. Ich hatte meine
Kreditkartenbelege in dem altmodischen Sekretär in meinem häuslichen Büro
liegen — dem Möbel, dessen Schubladen am Sonntag abend offen gewesen waren. Ein
leichtes, sich die Nummern für künftige Verwendungszwecke zu notieren. Aber
stellten sie denn keine Kontrollfragen, um sicherzugehen, daß es wirklich der
Karteninhaber war, der eine telefonische Bestellung aufgab? Nein, nicht wenn
die Lieferadresse mit der Anschrift in der Kundendatei übereinstimmte.
Okay, aber was war mit der
Telefonnummer des Anrufers? Erschien die nicht auf dem Computerbildschirm der Bestellungsannahme?
Vermutlich, und wenn ja, war das vielleicht ein Anhaltspunkt.
Also gut, diese Frau war
umsichtig genug, keine Spuren zu hinterlassen, versiert genug, um unbemerkt in
mein Haus einzubrechen, während die Alarmanlage ausgeschaltet war, abgebrüht
genug, um sich dort eine ganze Weile aufzuhalten, vorausschauend genug, sich
meine Kreditkartennummern und dergleichen — Plötzlich wurde mir kalt; ich
spürte, wie ich eine Gänsehaut bekam. Was war noch in dem Sekretär gewesen?
Sie hatte genügend
Informationen vorgefunden, um mein Leben in ein einziges Chaos zu verwandeln.
All diese Nummern, ohne die wir nicht auskommen, die uns aber zutiefst
verletzlich machen, wenn sie in falsche Hände fallen! In meinem Fall
Kreditkartennummern, Sozialversicherungs-, Führerschein-, Pilotenschein-,
Privatermittlerlizenz-, Paß-, Hypothekenkonto- und Gewerbescheinnummer sowie
meine Kundennummern bei der Gas- und Stromgesellschaft, verschiedenen
Telefongesellschaften und meinem Handynetz. Verdammt, sie hatte sogar die
Nummer meines Vielfliegerausweises! Ich schüttelte den Kopf, weil ich mich am
Sonntag abend noch beglückwünscht hatte, daß all meine wichtigen Papiere im
Firmensafe lagen. Gemeint hatte ich damit Geburtsurkunde,
Versicherungsnachweise für den MG und den Firmen-Van, Steuerunterlagen, mein
Testament sowie die letztwilligen Verfügungen meiner Mutter und meines Bruders
John, die mich beide als Testamentsvollstreckerin eingesetzt hatten. Aber mein
ganzes Leben lagerte hier zu Hause, wo es sich diese Frau in aller Ruhe hatte
aneignen können.
Was noch?
Ich öffnete eins der
Sekretärfächer und erblickte meinen Privat-Rolodex. O Gott, vermutlich hatte
sie jetzt auch die Telefonnummern und Adressen meiner sämtlichen Angehörigen
und Freunde! Wenn ja, waren nicht eingetragene Nummern darunter, die für mich
zu behalten ich hoch und heilig geschworen hatte.
Ich zog zwei Schubladen auf,
die an jenem Abend halb offen gestanden hatten. Darin lagen Briefe und Karten
von Menschen, die mir nahestanden, Briefe und Karten von Hy. Sie hatte
womöglich sogar die persönlichen und intimen Dinge gelesen, die mir mein
Liebster geschrieben hatte!
Und ich wollte Detektivin sein?
Wie hatte ich am Sonntag abend das Offensichtliche übersehen können?
Na ja, dieser Einbruch in mein
Heim und die Traumatisierung meiner Katzen hatten mich ganz schön aus der Bahn
geworfen. Und außerdem hatte ich gerade meinen ersten Alleinstart von einem
B-Flughafen hinter mir gehabt.
Keine Ausreden, McCone. Das war
wirklich Pfusch. Du hast dich durch deine Arbeitsüberlastung und die
Ted-Geschichte in deiner Professionalität beeinträchtigen lassen. Fang
gefälligst an, dich selbst so zu behandeln, wie du’s mit einer
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