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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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des
Verkehrs auf der Brücke.
    Als ich fast bei den Vintage
Lofts angelangt war, suchte ich auf einem dunklen Ladekai Deckung und musterte
das Gebäude. Bei Tag war es ein unattraktiver Kasten, aber jetzt in der
Dunkelheit waren die strengen Konturen verwischt. In keinem der schmalen
Fenster war Licht zu entdecken. Das Eingangsportal befand sich in der Mitte der
Frontseite, und die etwas zurückgesetzte Tür schien einen kleinen Spalt offenzustehen.
    Wie konnte ich hineingelangen,
ohne daß sie es mitkriegte? Vermutlich hielt sie Ausschau nach mir und gedachte
mich zu überraschen, wenn ich, Raes Namen rufend, hineinstürmte. Doch warum
sollte ich mir nicht das Überraschungsmoment zunutze machen?
    Ich schlich den Kai entlang und
durch einen schmalen Gang zwischen zwei Gebäuden hindurch. Er endete an der
Fremont Street. Von da aus pirschte ich mich um ein paar Häuserblocks zur
Rückseite des Loftgebäudes. Die Schatten waren undurchdringlich, und in ihrem
Schutz glitt ich rasch auf das Haus zu und suchte nach einer Möglichkeit,
unbemerkt hineinzugelangen. Die bot sich in Gestalt eines nicht ganz
heruntergelassenen Garagentors hinter einem Sattelschlepper.
    Ich zögerte kurz, schaute an
der Hauswand empor. Auf dieser Seite waren keine Fenster, sie konnte mich
unmöglich beobachten. Ich zog die .357 aus meiner Umhängetasche, ging auf alle
viere und krabbelte unter dem Tor hindurch.
    Das Innere der Garage war
feuchtkalt, unter einer Tür am hinteren Ende schimmerte ein schwacher
Lichtstreifen. Ich schlich darauf zu, eine Hand vorgestreckt, die andere an der
Waffe. Zweimal krachte ich gegen eine Betonsäule, aber bis ich die Tür
erreichte, hatten sich meine Augen so weit an das Dunkel gewöhnt, daß ich einen
Stapel Rigipsplatten ausmachen konnte, der gleich links daneben an der Wand
lehnte. Ich faßte den Knauf und öffnete die Tür zentimeterweise.
    Ein Flur, in dem die
Sicherheitsbeleuchtung brannte. Zu beiden Seiten offene Türen, die allem
Anschein nach in langgestreckte, schmale Lofts führten. Ich horchte: nichts.
Aber in der Luft hing ein vertrauter Duft: Dark Secrets.
    Ein jähes Geräusch ließ mich
die Tür wieder schließen und mich flach gegen die Rigipsplatten pressen. Dann
erkannte ich das Geräusch: ein Aufzug, am anderen Ende des Flurs. Unterwegs
nach oben.
    Ich schlüpfte in den Flur,
schlich in Richtung Aufzug und erreichte ihn gerade noch rechtzeitig, um
mitzukriegen, daß die letzte aufleuchtende Geschoßnummer die Drei war. In den
ehemaligen Lagerräumen um mich herum herrschte absolute Stille, und der
Parfümduft verflog jetzt langsam. Okay, sie war dort oben — aber wozu?
    Um mir eine Falle zu stellen?
    Ich ging durch den Flur zurück
und fand den Treppenaufgang. Eine Tür gleich daneben führte in eine Kammer, in
der sich der Sicherungskasten befand. Ich ging hinein und schaltete die
Kippsicherungen für die Flure und den Aufzug aus. Dann stieg ich die Treppe
hinauf.
    Auf dem Treppenabsatz im dritten
Stock wartete ich, bis meine Augen sich an das Dunkel gewöhnten. Feuchtkalt
hier oben. Es roch nach frischem Holz — und nach Dark Secrets.
    Bald konnte ich Umrisse
erkennen: schmale rechteckige Fenster, ein paar Nuancen heller als das übrige
Schwarz; weitere Betonsäulen. Die Zwischenwände waren noch nicht fertig, das
ganze Stockwerk war ein Labyrinth aus Balkengerüsten und Kupferrohren.
Elektroleitungen schlängelten sich zwischen den Balken entlang, und unter
meinen Füßen war unebener Estrich, rissig und löchrig. Zwischen all diesen
scharfen Ecken und Kanten mußte die Silhouette einer Frau zwangsläufig
auffallen.
    Ich horchte nach irgendeinem
verräterischen Geräusch: nichts. Ich kniff die Augen zusammen, lauerte auf
irgendeine Bewegung. Sie rührte sich nicht. Sie schien noch nicht mal zu atmen.
    Schließlich begann ich mich
durch das Labyrinth zu pirschen, die Waffe beidhändig im Anschlag. Sie
reagierte nicht; das Überraschungsmoment hatte nichts gebracht. Ich würde sie
aufscheuchen müssen.
    Plötzlich ein Geräusch hinter
mir, Bewegung. Ich fuhr herum. Eine Gestalt rannte die Treppe hinauf, und eine
Tür krachte zu.
    Der Ausgang aufs Dach. Ein
Katz-und-Maus-Spiel also.
    Dieses Spiel beherrschte ich
auch.
    Ich schlich die Treppe zum Dach
hinauf und öffnete die Tür einen Spalt. Die Nacht war zur Abwechslung mal
einigermaßen klar, mit vereinzelten hohen Wolken und einem hellen Mond. In
seinem Licht sah ich eine erhöhte Gitterdrahtplattform mit einem riesigen
Grillbecken in

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