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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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ihm.«
    »Falls ich Mr. D’Silva nicht
finden kann, würden Sie mir den Namen Ihres Bekannten sagen?«
    »Sicher — Ken Parrish. Das
Zeltdachhaus aus Zedernholz. Seine Frau heißt Beth.«
    Ich notierte mir beides und
sagte dann: »Wir haben vor einiger Zeit schon mal kurz über Lee gesprochen,
aber ich wüßte gern, ob Sie mir noch etwas mehr sagen können.«
    Fieldstone dachte nach, setzte
die Brille wieder auf. »Ihre Studienleistungen kennen sie ja — hervorragend.
Alle hier haben viel von ihr gehalten; wir waren uns sicher, daß sie’s mal weit
bringen würde. Wissen Sie das mit ihrer Mutter?«
    »Nur, daß Lee sie bis zu ihrem
Tod gepflegt hat.«
    »Ja. Das war ein sehr
unglückliches Zusammentreffen. Lee stand gerade davor, einen Job beim County
Sheriff’s Department in Chico anzutreten; da hat ihr Vater sie angefleht, zu
Hause zu bleiben und ihm mit der Mutter und dem Geschäft zu helfen. Als ihre
Mutter dann starb, gab es beim Department einen Einstellungsstop. Lee war am
Boden zerstört und ging weg aus Paradise.«
    »Wann war das?«
    »Vor etlichen Jahren — acht,
würde ich sagen. Ehe die Baustoffhandlung den Besitzer wechselte, aber nicht
lange davor.«
    »Hat sie Kontakt hierher
gehalten?«
    »Hier am College zu niemandem.
Ihre Anfrage war das erste Mal seither, daß ich was von ihr gehört habe. Aber
sie hatte eine gute Freundin hier.« Er dachte nach und schüttelte dann den
Kopf. »Tut mir leid, ich komme nicht mehr auf den Namen, aber ich habe sie erst
kürzlich gesehen. Sie hat einen Laden — Woll im Trend , am Skyway. In
einer kleinen Ladenzeile nördlich vom Ponderosa Pines Motel.«
    Ich notierte auch das. »In der
Zeit, als Lee ihrem Vater geholfen hat — haben Sie sie da je gesehen?«
    »Ein paarmal, im Ort. Sie
wirkte wie eine sehr traurige junge Frau.«
    »Aber sie blieb bis zum
Schluß?«
    »Selbstverständlich. Lee
D’Silva war das, was man zu meiner Zeit ein braves Mädchen nannte. Sie hat
immer getan, was sich gehört. Immer.«
     
    Der große, grauhaarige Mann,
der mir die Tür des D’Silvaschen Hauses öffnete, schien nur aus Ecken und
Kanten zu bestehen. Einige davon waren so scharf und spitz, daß es aussah, als
drohten sie sich durch seine blasse Haut zu bohren. Seine Augen lagen tief in
den Höhlen, und um seine Mundwinkel zogen sich tiefe Falten. Nachdem er
bestätigt hatte, daß er Harold D’Silva war, zeigte ich ihm meinen Ausweis und
hob an, die Story vom verlorenen Kontakt zu seiner Tochter zu erzählen, die ich
— qua Wiederholung — selbst schon fast glaubte. Doch D’Silva schnitt mir das
Wort ab. »Ich habe keine Tochter namens Lee«, sagte er. »Ich habe überhaupt
keine Kinder.«
    »Aber Lees ehemaliger
Beratungsdozent am College hat mir gesagt —«
    »Er irrt sich.«
    Ich musterte D’Silva, registrierte
den Tic in seinem rechten Augenwinkel. Die meisten Menschen zeigen irgendeine
verräterische körperliche Reaktion, wenn sie in einer emotional stark besetzten
Sache lügen.
    »Sie sind doch der Harold
D’Silva, dem die Baustoffhandlung gehört hat?«
    Der Tic verstärkte sich noch.
»Ja.«
    »Möglicherweise ist Ihnen der
Ernst der Lage nicht voll bewußt, Sir. Ihre Tochter ist in Gefahr, vielleicht
sogar in Lebensgefahr.«
    Er sah mich ein paar Sekunden
lang an und schloß dann die Tür. Von drinnen hörte ich einen heiseren,
gequälten Schrei.
     
    Ken Parrish, D’Silvas Nachbar,
hackte gerade Holz im Hof neben seinem Haus. Als er mich sah, hieb er die Axt
in den Hackklotz und lächelte mich freundlich an. »Sie müssen Ms. McCone sein.
Bob Fieldstone hat mir gesagt, daß Sie vielleicht vorbeikommen würden. Hat Sie
der Alte abgewiesen?« Er deutete auf das Haus gegenüber.
    »Ja. Er behauptet, er hat keine
Tochter.«
    »Total verbittert, der alte
Knabe.« Parrish nahm seine karierte Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durchs verschwitzte
Haar. »Wieso verbittert?« fragte ich.
    »Wieso? Wer weiß das schon?
Wahrscheinlich weil Lee beschlossen hat, ihr eigenes Leben zu leben und
wegzuziehen, als ihre Mutter tot war. Sie hat viel eingesteckt, sehr viel, all
die Jahre.«
    »Können Sie das etwas genauer
ausführen?«
    Parrish zögerte, und seine
wachen blauen Augen huschten zu dem Haus auf der anderen Straßenseite hinüber.
»Alten Dreck aufwühlen — hilft Ihnen das wirklich, sie zu finden?«
    »In so einer Situation kann
jede Einzelheit hilfreich sein.«
    »Na ja, dann meinetwegen.
Außerdem war ich’s ja, der die Untersuchungen in diese Richtung

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