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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Moser
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plötzlich bin. Eigentlich hasse ich nichts mehr, als wenn man sich über mich lustig macht, vor allem ragazze. Aber bei Jana stört es mich nicht, im Gegenteil, es gefällt mir, dass sie sich mir von ihrer anderen, lockeren Seite zeigt. Irgendwie kommt es mir so vor, als hätte sie ihr Gesicht bisher vor mir versteckt und erst jetzt blinzele die wahre Jana hervor. Verrückt, aber diese Kleine da neben mir, die eigentlich so gar nicht meinem üblichen Geschmack entspricht, weckt meine Neugierde. Das hat schon lange keine Frau mehr geschafft.
    »He, was studierst du eigentlich?«, frage ich, nachdem wir schon eine ganze Weile geschwiegen haben.
    »Romanistik«, erwidert sie. »Im Hauptfach Italienisch.«
    Ich starre sie an. »Italienisch, echt? Warum, was willst du damit anfangen? Ich meine, Englisch oder Spanisch sind Sprachen, die überall gebraucht werden, aber Italienisch …«
    »Ach, das sagen fast alle«, meint sie leichthin, als hätte sie schon mit dieser Antwort gerechnet, und es ärgert mich, dass ich ihre Annahme bestätigt und nicht irgendetwas Intelligenteres von mir gegeben habe. Etwas, das sie überrascht hätte.
    »Aber diese Leute waren wahrscheinlich noch nie in Italien oder sind nur betrunken am Strand herumgelegen«, fährt sie fort. »Ich liebe einfach alles dort. Den Klang der Sprache, die alten Städte, das Meer, die Landschaft … Und natürlich das leckere Essen. Ich glaube, wenn ich dort leben würde, müsste ich nie wieder in einem anderen Land Urlaub machen. Vielleicht finde ich ja irgendwann einen Job dort. An einer Sprachschule oder so.«
    Janas tiefblaue Augen haben angefangen zu leuchten und in ihrer Stimme liegt eine Begeisterung, die einen nicht daran zweifeln lässt, dass sie überzeugt ist von dem, was sie sagt. Ich betrachte sie fasziniert und auch mit einem Anflug von Neid. Ich wünschte, ich hätte wenigstens einmal etwas Ähnliches empfunden, wenn mich Leute nach meinem Architekturstudium gefragt haben. Ich hatte es immer nur als lästige Pflicht betrachtet, die mir von meinem Vater aufgedrückt wurde, obwohl einige Kurse wirklich interessant waren.
    »Und wahrscheinlich magst du vor allem die vielen feurigen belli italiani , oder?«, frage ich sie scherzhaft. »Immerhin heißt es, sie sollen tolle Liebhaber sein.«
    Jana zuckt gelangweilt mit den Schultern. »Diejenigen, die ich kennengelernt habe, waren mir alle zu schnulzig. Sie haben immer die gleichen einfallslosen Komplimente heruntergeleiert. Du hast die schönsten Augen der Welt, sie leuchten wie die Sterne am Himmel und sind so blau wie das Meer … Blablabla.«
    Ich lache auf. »Also, wirklich, jetzt gib’s doch zu, euch Frauen gefällt so was! Wenn es nach euch ginge, dann müssten wir Männer euch pausenlos Gedichte und Lieder schreiben und euch am besten noch auf Rosen betten.«
    Sie schnaubt verächtlich, dann nimmt ihr Blick einen verträumten, entfernten Ausdruck an. Vermutlich gucke ich genauso, wenn ich abends mit einer Pizza in meinem kleinen, deprimierenden Zimmer hocke und mir ausmale, was meine amici und mein Bruder Fabio wohl gerade in Rom machen.
    »Warst du schon oft in Italien?«, frage ich sie, bevor ich noch in Selbstmitleid verfallen kann.
    Janas Blick wird wieder klarer. »Ja, im Urlaub. Und nach dem Abi war ich sogar sechs Wochen in der Toskana, um einen Sprachkurs zu besuchen. Damals wollte ich am liebsten gar nicht wieder weg.«
    »Sind deine Eltern auch solche Italienfans?«, will ich wissen. Ich sauge alles auf, was mir dieses Mädchen erzählt, als hätte ich seit Monaten nichts Interessantes mehr zu hören gekriegt.
    Jana zögert einen Moment, dann schüttelt sie den Kopf. »Nein, meine Eltern sind eigentlich nie mit uns weggefahren. Sie waren nur immer mit sich und ihren Streitereien beschäftigt. Es ist erst besser geworden, nachdem meine Mutter uns verlassen hat.« Sie lächelt schwach. »Hört sich wahrscheinlich ziemlich krass an, oder?«
    Ich schüttle den Kopf. Nein, das tut es nicht, denke ich. Ich kann sogar sehr gut nachvollziehen, was Jana meint. Manchmal ist es besser, Eltern entscheiden sich klar zur Trennung, als dass sie sich gegenseitig etwas vormachen und dadurch ihre Familie langsam, aber trotzdem unaufhaltsam zerstören.
    »Mein Vater war unfähig, sich um uns zu kümmern. Mein Bruder und ich hatten nie ein enges Verhältnis zu ihm, wir haben uns mit unserem Onkel viel besser verstanden«, fährt Jana ganz von allein fort. »Na ja, aber zum Glück hatte ich Flo. Mein

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