Wenn aus Verlangen Schicksal wird
Mal hin. Dann ein drittes Mal. Und dann zerbrach die Welt in tausend Scherben.
Das Baby … es war seins!
3. KAPITEL
Die Erkenntnis traf Aris wie ein Faustschlag.
Mit rasender Geschwindigkeit tosten Gedanken und Sinneseindrücke durch seinen Kopf, überfluteten ihn lawinengleich.
Der dunkelblaue Samtstrampler, den der Junge trug. Das Muster, das die mahagonifarbenen Locken auf seine Stirn zeichneten. Die perfekt geschwungenen Augenbrauen. Der herrische Gesichtsausdruck, mit dem er sein Spielzeug betrachtete. Genau diesen kleinen Jungen hatte Aris schon einmal gesehen: auf einem beinahe vierzig Jahre alten Foto.
Das war doch unmöglich, unbegreiflich! Und völlig offensichtlich. Zum ersten Mal in seinem Leben war sich Aris einer Sache so sicher, dass er sein Leben darauf verwettet hätte.
Das hier war sein Sohn.
In diesem Moment sah das Baby zu ihm auf. In seinem Blick lagen Neugierde und ein Anflug von Wiedererkennen, der Aris durch Mark und Bein ging.
Und dann lächelte der Kleine, eifrig und so fröhlich und unbeschwert, dass Aris ganz klamm ums Herz wurde.
Aris rang nach Luft, taumelte ein paar Schritte nach hinten und hielt sich am Türrahmen fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mit klopfendem Herzen beobachtete er, wie der Kleine direkt auf ihn zukrabbelte. Zum ersten Mal seit mehr als fünfundzwanzig Jahren wusste Aris nicht, was er denken oder tun sollte.
Vollkommen hilflos sah er auf das Baby hinab, das die Arme nach ihm ausstreckte und sein Bein umschlang. Dann versuchte es mit derselben Entschlossenheit, mit der es schon sein Spielzeug behandelt hatte, an ihm hochzuklettern.
Aris empfand … nein, es gab nicht mal annähernd Worte für das, was er in diesem Augenblick fühlte.
Wortlos, atemlos erwiderte er den neugierigen Blick seines Sohnes.
„Alex! Komm her, mein Schatz.“
Die Stimme der Frau katapultierte Aris wieder in die Realität zurück. Verständnislos sah er die Fremde an, die ihm einen betretenen Blick zuwarf. „Bitte entschuldigen Sie, Sir! Normalerweise ist Alex nicht so zutraulich.“
Aris starrte sie an, versuchte, einen Sinn in ihren Worten zu finden. Verwirrt beobachtete er, wie sie ein Taschentuch hervorzog und auf ihn zukam. Dann sah er wieder auf das Baby hinab, das immer noch sein Bein umklammerte und angefangen hatte, an seiner Hose herumzuknabbern.
Die Frau nahm das Baby auf den Arm und reichte Aris das Taschentuch.
„Ich hoffe, der Fleck geht wieder raus“, stammelte sie verlegen. „Wenn nicht, wird Ms Louvardis Ihnen die Hose selbstverständlich ersetzen.“
Wie betäubt sah Aris erst das Taschentuch in seiner Hand, dann die fremde Frau an.
Sie musste das Kindermädchen sein.
Das Kindermädchen, das sich um Selenes Sohn kümmerte. Um seinen Sohn.
Der Kleine zappelte wie wild auf ihrem Arm herum und streckte immer wieder die Ärmchen nach Aris aus. In seinen Augen glitzerten dicke Tränen, und seine Lippen zitterten erbärmlich.
Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte Aris ebenfalls die Arme aus.
„Eleni!“
Selenes Stimme erschütterte ihn bis ins Mark. Die Nanny fuhr herum, und auch Aris beobachtete, wie Selene mit vor Wut blitzenden Augen auf sie zuhastete. Eine Löwenmutter, die bereit war, ihren Nachwuchs bis aufs Letzte zu verteidigen.
„Eleni“, fuhr Selene ihre Angestellte an. „Nimm Alex mit und hol unsere Sachen. Wir fahren sofort nach Hause.“
Die Nanny sah Selene verblüfft an. Anscheinend war sie es nicht gewöhnt, dass ihre Arbeitgeberin in diesem Tonfall mit ihr sprach. Dann nickte sie knapp und verließ, mit dem Baby auf dem Arm, den Raum.
Wie betäubt sah Aris ihnen hinterher.
„Was willst du hier?“, fauchte Selene. Ihr Tonfall war so schneidend, dass ihre Worte Aris trotz seiner Benommenheit erreichten. „Wie kannst du es wagen, mich zu verfolgen?“
Doch er schüttelte nur den Kopf, unfähig, etwas zu sagen. Reglos beobachtete er, wie sie ihm einen letzten wütenden Blick zuwarf und dann auf dem Absatz kehrtmachte, um Eleni und ihrem Sohn zu folgen.
Ein Schritt. Tausende von Fragen schwirrten durch seinen Kopf, der eben noch so leer gewesen war.
Zwei Schritte. Die Fragen schlugen in Verwirrung um.
Drei Schritte. Die Verwirrung verwandelte sich in vollkommenes Chaos.
Vier Schritte. Aus dem Chaos schälte sich ein einzelner Gedanke: Halte sie auf!
Blitzartig löste er sich aus seiner Erstarrung und stürzte Selene hinterher.
„Lass mich in Ruhe“, zischte sie, als er nach ihrem Arm griff.
„Warum
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