Wenn das der Führer wüßte
ging paarweise zum Waschraum, und wenn einer der Piloten aus der Kanzel trat, es waren strahlende Burschen, Isländer, Angestellte der Loftleidir, offerierte man sich einmütig auf dem Präsentierteller. Daß Sigga die ungekrönte Königin dieses Fluges sei, darüber waren sich alle einig, und die netteste Sekretärin – sie hieß Doris, mit Zunamen Völlenkle („Das ist mein wirklicher Name, ich heiße noch Heidrun und bin von der Deutschen Wurlitzer“) – waltete ungebeten ihres Amtes als Kammerzofe. Und Doris war es auch, die Herrn von der Leyen beiseite nahm und ihm zuflüsterte, sie wolle kein Aufsehen machen, aber seine Gattin sei soeben im Klo ohnmächtig geworden.
Als Jugurtha durch den Kabinenschlauch nach vorn lief, wurde das Bordradio eingeschaltet und Marschmusik gespielt. Sofort verstummten die Gespräche, Jugurtha bekam noch die erstaunten Mienen einiger Herren mit, dann war er auch schon in dem engen, heißen Abort, wo es nach Desinfektion und Gespienem roch. Das niedrige Kabinett vibrierte vom Gedröhn der Düsen. Sigga lag oder saß da, den Kopf an die Klosettmuschel gelehnt, das Gesicht wachsgelb. Sie hatte sichtlich erbrochen, und zwar Galle. Jugurtha tätschelte kräftig ihre Wangen und wusch sie, dann suchte er im Erste-Hilfe-Kästchen nach etwas Starkem, fand auch Ammoniumkarbonat und hielt ihr das Salz unter die Nase. Allmählich bewegte sie sich wie im Schlaf. An der Tür pochte es. „Ich bins – Doris. Wie geht es Ihrer Frau?“ – „Schon besser.“ – „Wir müssen notlanden.“
Sigga schlug die Augen auf, schaute um sich, sah ihn an. „Schwarzer Jugurtha“, murmelte sie. Dann schluckte sie ein paarmal krampfhaft und spie aus, er hielt ihr dabei den Kopf. Siggas Gesicht hatte einen furchtsamen, zugleich verdrießlichen und merkwürdig neugierigen Ausdruck, so als grüble sie angestrengt nach. „Was ist, wo bin ich?“ fragte sie. „Wo ist Manfred?“ Alles kam ihr durcheinander. „Ach ja, Manfred ist fort“, sagte sie und spuckte wieder aus. Sie versuchte sich aufzurichten, sank jedoch gleich in sich zusammen. Er erklärte ihr die Lage, sie aber schien uninteressiert. Doris klopfte, kam herein, und gemeinsam beförderten sie Sigga zum alten Platz zurück. Er legte sie behutsam hin, lagerte den Kopf hoch und hüllte sie in die Decke. Als er ihr den Puls fühlte, spürte er, daß sie am ganzen Körper zitterte. Schüttelfrost. Eine Nervenkrise?
Das kleine Ereignis war kaum beachtet worden, man hatte sehr mit sich zu tun. Nur der Oberregierungsbaurat beugte sich herüber und fragte höflich: „Ist Ihrer Gattin schlecht? Luftkrank?“ Jugurtha fragte zurück, was eigentlich los sei, und erhielt eine alarmierende Antwort. Der Kapitän hatte durchgegeben, daß wegen des selbst in dieser Jahreszeit ungewöhnlich dichten Nebels am eigentlichen Bestimmungsort nicht gelandet werden könne, er suche nach einer Ausweichmöglichkeit. Dazu der Kommentar des Oberbaurats: „Bodenfunkverbindung wegen Feindnähe leider unmöglich. Daher auch Blindlandung unmöglich.“ Was hieß hier Feindnähe? Ja, der lokale Luftraum würde in der letzten Zeit scharf überwacht, der Feind – wer immer es sei – versuche, die Transporte zu orten und zu bekämpfen. Schon einige Flüge waren, wie man hintenherum erfahren hatte, vom Feind eingesehen worden und nur mit Mühe durchgekommen, diesmal erschwere noch der blöde Nebel alles. „So ist vor einer Weile unsere Maschine von einem Jäger ohne Kennzeichen gestellt und beschossen worden – trotz Rotkreuz. Niemand merkte was, der Jäger hat plötzlich abgedreht und ist im Nebel verschwunden.“ Von wem er das habe? Ausweichend: „Es wurde mir gesagt.“ Jedenfalls getraue sich der Kapitän nicht, Bodenkontakt zu nehmen.
„Warum läßt man die Transporte ohne Geleitschutz?“
Ironisches Grinsen. „Das Reich braucht jetzt seine Kampfmaschinen an anderen Orten.“ (Jugurtha mußte an die Meuterei der Luftwaffe denken.)
„Wo werden wir landen?“
„Das wissen die Götter. Etwas weiter im Süden soll es weniger Nebel geben.“
Die Marschmusik hörte mitten im Takt auf, eine kehlige Stimme drang aus den Lautsprechern: „Wir versuchen in wenigen Minuten zu landen. Notlandevorschriften beachten. Ende der Durchsage.“
Die wenigen Minuten zogen sich verflixt in die Länge. Jugurtha entfernte alle spitzen Gegenstände aus seiner Kleidung und durchwühlte auch Siggas Kleider. In ihrem Mantel fand sich der Laser-Meduso, er legte das filigrane Ding zu
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