Wenn das Glück dich erwählt
eingehen, wie jeder andere auch.«
Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und barg den Kopf in seinen Händen. »Ich habe mein Wort gegeben«, murmelte er mit erstickter Stimme. Nach einer Weile hob er den Kopf, um sie wieder anzusehen. »Wenn du nicht nach Springwater willst, kann ich nichts anderes tun, als hier zu bleiben.«
Evangeline bemühte sich, die seltsame Mischung aus Erleichterung und Wehmut zu verbergen, die in diesem Augenblick von ihr Besitz ergriff. »Wir können es schaffen, Scully«, sagte sie schließlich. »Wir können diesen Winter überstehen. Wir brauchen nur Geduld zu haben.«
Er schwieg sehr lange. »Warum musste das geschehen?«, fragte er schließlich, und sein Ton verriet, dass die Frage ebenso sehr an ihn selbst gerichtet war wie an Evangeline. »Warum konntest du nicht eine dieser pockennarbigen Frauen mit schlechten Zähnen und einem Hintern wie ein Heuwagen sein?«
Evangeline schlug eine Hand vor den Mund, um ihr Kichern zu ersticken. »Ist es das, was du erwartet hattest? Oder besser noch - ist es das, was Big John erwartet?«
»Er weiß nicht, wie du aussiehst«, gestand ihr Scully. »Er hatte nur ein paar alte Briefe seines Cousins, der behauptete, du wärst sehr hübsch. Aber das kann natürlich Ansichtssache sein, und immerhin war Charles dein Ehemann. Big John hat lange darüber nachgedacht, bevor er beschloss, es zu riskieren. Falls du hässlich wärst, wollte er das Beste daraus machen. Für Big John ist eine Abmachung eine Abmachung.«
Diese letzte Bemerkung ließ beide wieder verstummen. Es war Evangeline, die zum guten Schluss das Schweigen brach. »Es ist spät«, sagte sie. »Wir sollten schlafen gehen.«
Scully nickte und stand auf. Er ging nach draußen, und Evangeline legte sich ins Bett zu Abigail, die quer über der Matratze lag, und wartete auf seine Rückkehr. Erst als sie ihn hereinkommen und die Tür verriegeln hörte, erlaubte sie sich einzuschlafen.
Als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug, war er schon fort; wahrscheinlich verfolgte er die Herde wilder Pferde wieder, wie er es so oft in diesen Tagen tat. Er verstand mit Pferden umzugehen und beabsichtigte, die eingefangenen Mustangs an Geschirre zu gewöhnen, um sie dann über Jacob an die Postkutschengesellschaft zu verkaufen. Wie es so charakteristisch war für Scully, hegte er keinen Zweifel daran, dass sein Vorhaben gelingen würde, und Evangeline wusste, dass seine Zuversicht berechtigt war. Er war in dieser Beziehung wie ihre Tochter; wenn er sich etwas vornahm, klappte es meistens auch.
Es war eine Eigenschaft, die Evangeline selbst auch sehr gern besessen hätte. Sie war intelligent - außergewöhnlich intelligent sogar -, aber sie musste sich immer sehr viel Mühe mit den Dingen geben, bevor sie sie in den Griff bekam, und dabei häufig Fehlschläge einstecken. Sobald sie jedoch etwas richtig beherrschte, blieb es für ihr ganzes Leben haften, und sie konnte immer wieder auf diese Kenntnisse zurückgreifen.
Sie stand auf und merkte, dass der Boden schon ziemlich warm war von den Feuern, die sowohl im Kamin als auch im Ofen brannten. Es war auch heißes Wasser da, stellte sie fest, als sie das Reservoir öffnete. Scully hatte es schon aufgefüllt und noch zwei weitere Eimer Wasser hergebracht. Eine kurze Nachricht auf Abigails Schiefertafel besagte, dass er die Tiere schon versorgt habe und vor Sonnenuntergang zurückkehren werde.
Es war frischer Schnee gefallen in der Nacht, und es schneite nach wie vor, aber in der schon vorgeheizten Hütte war es warm und urgemütlich. Evangeline beschloss, das Mittagessen vorzubereiten, das Haus aufzuräumen und den Rest des Tages mit ihren Näharbeiten zu verbringen. Mit etwas Glück konnte sie heute die Arbeit an dem Hemd zum Abschluss bringen, das sie für Scully nähte, um ihn Weihnachten damit zu überraschen. Es war das Mindeste, was sie tun konnte: dem Mann ein schlichtes Hemd zu nähen, nachdem er all diese wundervollen Stoffe für sie und Abigail gekauft hatte.
Evangeline war schon vollständig angezogen und steckte gerade ihr Haar auf, bevor ihr auffiel, dass Abigail bereits erwacht war und mit großen, fieberglänzenden Augen zu ihr hinüberstarrte.
»Ich fühle mich nicht gut, Mama«, sagte sie. Ihre Stimme klang rau und heiser, und Evangeline war augenblicklich sehr beunruhigt, obwohl sie sich die größte Mühe gab, es nicht zu zeigen.
Sie legte die Finger auf Abigails Stirn und stellte fest, dass sie vor Fieber glühte. Ihre
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