Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
Arm, ihren Fuß. Sie zog die Knie an und blinzelte in den Himmel. Weitere Regentropfen fielen auf ihr anschwellendes Auge und schickten neuen Schmerz durch ihr Gesicht.
„Kimberly.“
Sie fuhr herum und sah die Crew hinter sich stehen. Sie waren alle da, alle, die überlebt hatten. Frankie. Finn. Samuel. Edward. Captain Barron. Matrosen, die ihr einmal wie eine Familie gewesen waren. Sie alle starrten sie aus dunklen, roten, besessenen Marionetten-Augen an – nur einer nicht. Einer musterte sie aus blauen Augen voller Entschlossenheit und Kälte und … etwas anderem. Etwas, das beinahe so aussah wie Bedauern. Aber nur beinahe. Captain Barron. Ihr Vater. Und dann sah sie, was er um den Hals trug: den Schlangenstern-Anhänger.
Kimberly kniff die Augen zusammen und glaubte für einen Moment zu sehen, wie die Schlange sich in dem Anhänger bewegte. Die Erscheinung verschwand, als Barron sein Hemd auszog und es ihr zuwarf. „Zieh dir etwas an, Kind. Sonst holst du dir noch den Tod.“
Sie überlegte, auf das Hemd zu spucken und die Geste zu ignorieren, doch sie wollte ungern nackt von Bord gehen. Widerwillig zog sie es über und rümpfte die Nase, als ihr der durchdringende Schweißgeruch in die Nase stieg. Barron war nie ein Freund von Wasser und Seife gewesen, er roch beinahe so schlimm wie Oliver. „Du sorgst dich also plötzlich um mich?“
Barrons Blick blieb kalt. „Tot nützt du mir nichts.“
„Was ist nur los mit dir? Ich dachte, du willst eine Familie! Bin ich denn nicht Teil davon?“
Leere Augen sahen sie an, kalt, gefühllos. „Melinda war meine Familie. Matt war meine Familie. Du wirst mir helfen, sie zurückzubekommen.“
Kimberly hätte sich gerne eingeredet, dass der Dämon Schuld war und dass Barron unter seinem Einfluss stand. Dass der Captain immer noch der Mann war, der sie großgezogen hatte. Doch sie wusste es besser. Solange der Captain den Anhänger trug, war er den Kräften des Dämons gegenüber immun. Er tat das, weil er es tun wollte. Sie glaubte, allmählich zu verstehen, warum er ihr nie gesagt hatte, dass er ihr Vater war: weil er sie nicht als Teil ihrer Familie betrachtete. Nicht so wie Melinda. Nicht so wie Matt.
Sie warf einen Blick zurück und spielte mit dem Gedanken, über Deck zu sprinten, sich von der Reling zu stürzen und sich dem kalten englischen Wasser hinzugeben. Wenn sie ihm tot nichts nützte, könnte sie ihn so vielleicht aufhalten. Ihre Muskeln spannten sich an, als der Plan in ihrem Kopf Gestalt annahm. Wozu sollte sie hierbleiben wollen? Tyler war nicht mehr da, Gavin war schon lange fort und ihr ganzes Leben war eine Lüge. Ihr Herz schlug schneller bei dem Gedanken an ihren letzten, großen Plan. Vielleicht konnte sie den Dämon damit aufhalten. Wenn Barron sie lebendig brauchte, um ihn zu befreien, dann …
„Bringt den Jungen her. Die zwei können sich schon einmal Lebewohl sagen.“ Barron lachte freudlos und schickte Frankie weg. Das war ihre Chance, jetzt war der Weg frei, sie musste nur …
All ihre Kraft wich aus ihren Beinen, als sie die Stimme hörte. Es war nicht einmal eine richtige Stimme, es war mehr ein animalisches Knurren und Fauchen, doch sie wusste trotzdem, wen Frankie da an Deck brachte. Zuerst sah sie seine zerschrammten, muskulösen Beine, dann seinen honigfarbenen Bauch, über den sich eine wulstige Narbe zog und schließlich wanderte ihr Blick zu seinem Gesicht. Bartstoppeln sprossen wild über seine Wangen, die kurzen Haare waren zerzaust, die vollen Lippen zu einer dünnen Linie zusammengekniffen. Und die Augen, deren Bernsteinfarbe Kimberly einst so fasziniert hatte, musterten sie nun aus kalten, violetten Kugeln.
„Tyler“, flüsterte sie und sackte zusammen. Sie konnte nicht springen, wenn er hier war. Nicht, wenn sie ihn vielleicht retten konnte.
Seine Augen verengten sich zu glühenden Schlitzen und er fauchte nur ein einziges Wort: „Aelyza.“
Etwas in Kimberly loderte auf, etwas Wildes und Altes, etwas, das den Dolch nehmen und den Dämon vor ihr töten würde. Etwas, das in Tyler nicht mehr den Mann sah, den sie liebte, sondern nur noch etwas Böses, das vernichtet werden musste. Das reine Kind in ihr erhob sich, um das dunkle Kind auszulöschen.
Kimberly schloss die Augen und versuchte, sich an Tylers Gesicht zu erinnern. Sein richtiges Gesicht mit den Bernsteinaugen, das all die guten Gefühle in ihr hervorrief. Stattdessen fühlte sie nur Sehnsucht, die den Drang, ihn zu töten, überlagerte.
„Fesselt
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