Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
trotzdem sicher, es gesehen zu haben.
Zwei kleine Stiche wie von einem Schlangenbiss.
Ihr Herz stolperte bei dem Gedanken, dass Tyler für längere Zeit bei ihr schlafen würde, dass sie ihm und ihrer unergründlichen Angst ausgesetzt sein würde. Sie wusste nicht, ob sie jemals wieder einschlafen konnte, jetzt nicht mehr. Und gleichzeitig brannte die Scham in ihrem Gesicht, weil sie sich von einer Geistergeschichte und einem unguten Gefühl so beeinflussen ließ.
Tyler leckte an seinem Finger, saugte das Blut aus, bis es nicht mehr hervorquoll und breitete dann seine Decke auf dem Boden neben der Hängematte aus. Er hätte den Anhänger vergraben, wenn Kimberly ihn nicht rechtzeitig beiseite gezogen hätte.
Ein Schutz, wisperte die Stimme in ihrem Inneren ihr zu.
Nacht-Stürme
Es war noch mitten in der Nacht, als Kimberly aufwachte und erschrocken feststellte, dass sie doch irgendwann eingeschlafen sein musste. Ihr Nacken fühlte sich steif an, weil sie in halb sitzender, halb liegender Position weggedämmert sein musste, und knackte, als sie sich aufsetzte und die Beine über die Hängematte schwang. Ihr Kopf pochte von der schnellen Bewegung, beruhigte sich aber schnell wieder. Verschlafen rieb sie sich über die Augen und erkannte erst danach, dass sie allein in ihrem Zimmer war. Vom Deck kamen ein lautes Heulen und Rappeln und sie fröstelte, als sie die Tür ihrer Kajüte öffnete. Auf dem Meer tobte ein Sturm und sie wusste nicht, seit wann Tyler verschwunden war.
„Verdammt“, fluchte sie und fragte sich im gleichen Moment, warum sie sich eigentlich sorgte. Es war doch ihr Wunsch gewesen, dass er wieder von Bord verschwand und das war ihre Gelegenheit, dass er sich erfüllte.
Vielleicht weil die innere Stimme, die sie nicht mochte, die aber meistens richtig lag, ihr riet, es wäre besser, nach ihm zu sehen. Aus welchen Gründen verriet ihr Unterbewusstsein Kimberly nicht, aber sie hatte gelernt, auf die innere Stimme zu hören, so schwer es ihr auch fiel.
In der Nähe der Schlafkojen war es unruhig, die Crew schien nicht zu schlafen. Das Ankerspill lag auf dem gleichen Deck wie die Schlafkojen, sie hörte das Rattern der Ketten, als er eingeholt wurde.
Heftiger Regen peitschte ihr entgegen, als Kimberly an Deck trat und es war so dunkel, dass sie zuerst nichts erkennen konnte. Nur verschwommen erhoben sich die Masten mit den eingeholten Segeln vor ihr in den nächtlichen Himmel.
„Tyler!“
Das Schiff schaukelte heftig auf den Wellen, die darunter tobten, und die Planken waren glitschig. Es war nicht leicht, sich fortzubewegen, ohne zu stürzen, und die Gefahr, von einer Welle überrollt und mitgerissen zu werden, war nicht gering. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung war, aber vielleicht war es auch einfach nur noch mehr Wasser.
„Tyler! Verdammt, bist du hier draußen?“
Dieses Mal war sie sich sicher, eine Bewegung wahrgenommen zu haben und drehte sich zum Bug des Schiffes. Backbord war jemand, der sich durch den Regen bewegte, er rutschte über die rutschigen Planken wie ein Betrunkener. Die Gestalt klammerte sich an die Reling und beugte sich vor, als müsste sie würgen, oder als versuchte sie, sich so gut wie möglich festzuhalten.
„Was machst du da?“, schrie sie und erst jetzt schien er sie wahrzunehmen. Sein Kopf ruckte hoch und sein Blick fuhr suchend durch den Regen, bis die bernsteinfarbenen Augen auf Kimberlys trafen und an ihnen festhielten. Da waren wieder diese Wärme und eine Art Trauer, die in Kimberly das Verlangen auslöste, zu ihm zu gehen und ihn in die Arme zu nehmen. Ihn in Sicherheit zu bringen, raus aus dem Regen und so weit weg wie nur möglich von diesem Sturm. Alle Wildheit war aus seinem Gesicht verschwunden und zurück blieb ein verstörter junger Mann, der in seinem Leben bereits zu viel durchmachen musste. Tyler hob die Hand, aber er konnte die Geste nicht zu Ende führen. Das Schiff neigte sich zur Seite und im gleichen Moment spülte eine Welle über Deck, bedeckte Kimberlys Gesicht mit Salz und riss Tyler mit sich. Für einen winzigen Augenblick, der sich aber zu einer Ewigkeit auszudehnen schien, starrte sie auf die Leere, die er hinterlassen hatte und kämpfte mit ihren zwiespältigen Gefühlen. Aber die Neugierde nach dem anderen, sanften Tyler war größer als die Angst vor dem wilden, unnahbaren. „Mann über Bord!“, brüllte sie und schlitterte zum Steuerrad, wo die Piraten wachten, die Nachtschicht hatten. „Mann über Bord!“ Sie
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