Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
tiefste Dunkelheit, die er finden konnte. Sein Körper war mager, aber noch immer von sehnigen Muskeln durchzogen, die zusammen mit violetten Adern durch die weiße Haut traten. Es war ein bizarres und sowohl erschreckendes als auch schönes Muster auf seiner Haut, das ihn aus der Ferne lila schimmern ließ. Abgesehen von den feinen Linien war sie makellos, trotz seines Alters gab es keine Falten oder Runzeln. Das Haar war mit den Jahren – Jahrzehnten? Jahrhunderten? – weiß geworden und der Körper hatte an Masse verloren, aber er wirkte nicht gebrechlich. Das Dämonenblut in ihm bewirkte, dass er kaum alterte, und wer ihm ins Gesicht sah, vermochte nicht zu sagen, ob er ein Junge oder ein Greis war.
Die Augen des Mannes waren ein dunkles Violett, es gab keine Iris oder Pupille, die man klar voneinander unterscheiden konnte, nur tiefe, purpurne Höhlen. Es waren zwei violette Kugeln in seinem Gesicht, über und über mit zarten amethystfarbenen Adern durchzogen, die erahnen ließen, dass er kein Mensch war.
Diese Augen verbargen sich nun vor dem winzigen Lichtstrahl, der durch ein Loch in der Höhlendecke weit, weit oben fiel. Er wollte so viel Finsternis wie möglich in seinem Inneren festhalten, denn seit er seine Macht verloren hatte, fühlte er, wie die Dunkelheit schwand. Wie Leben, das aus ihm herausströmte, verließ sie ihn jeden Tag ein wenig mehr und bald würde es zu spät sein. Bald war er nur noch eine denkende und leidende Hülle, die einmal ein Dämon gewesen war.
Er verzehrte sich nach dem Kristall, der irgendwo am anderen Ende der Welt auf ihn wartete, der zu ihm kommen wollte. Er sehnte sich nach dem durch und durch bösen Teil seiner Seele, dem tiefen Schwarz, das nur Rache und Hass empfinden konnte. Nach der Quelle seiner Macht, nach dem Schlüssel zur Wiederkehr und zum Beginn einer neuen Ära.
Und der Stein würde einen Weg zu ihm finden, jetzt, da er aus der Höhle befreit worden war. Es war nur eine Frage der Zeit – und wie viel Zeit blieb ihm noch, bis er für eine Wiedervereinigung zu schwach sein würde? Woran erkannte er es? Seit er hier gefangen war, fühlte er nur das Ziehen in seinem Inneren und den riesigen Riss in seinem Kopf, dort, wo die schwarze Seele gesessen hatte. Er fühlte den Verlust wie einen körperlichen Schmerz, als risse man Tag für Tag aufs Neue einen Teil aus ihm heraus, um ihn verwundet zurückzulassen. Verwundet und unglaublich wütend, aber so machtlos wie nie zuvor.
Er ballte die Hände zu Fäusten. Lange hielt er das nicht mehr aus.
Komm zu mir, dachte er. Seine Stimme hatte er seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt, aber das brauchte er auch nicht. Mit wem sollte er schon sprechen?
Komm zu mir und wir sind beide erlöst.
Ruhe vor dem Sturm
Seit Tagen schon hingen die Wolken am Himmel ohne sich zu bewegen. Wie nasse Tücher, die man aufgehängt und dann vergessen hatte, sie wieder abzunehmen. Es war warm und unglaublich schwül – und windstill. Die Holy Devil Holy Devil dümpelte in Küstennähe von Jamaica. Die Strömung am Tag des Tropensturms hatte sie bis dahin abgetrieben, sie konnten froh sein, währenddessen nicht von den Spaniern entdeckt worden zu sein. Es wäre Wahnsinn gewesen, den Anker während des Sturms unten zu lassen, die Gewalt der Natur hätte die Kette aus dem Schiff rausreißen können.
Jetzt waren sie fürs Erste sicher, Jamaica war von Briten besetzt und die würden sie nicht angreifen. Nicht, solange es noch Spanier gab, die ihnen mehr Ärger bescherten als Freibeuter, die keine Kaperaufträge mehr annahmen und stattdessen auf eigene Faust handelten. Zumindest hoffte die Crew das.
Kimberly räkelte sich auf der Takelage, um ihrem verspannten Nacken etwas Ruhe zu gönnen. Nach dem Spülen in der Küche fühlte sie sich immer steif, weil sie zu lange gebeugt gestanden hatte. Unter ihr ließ Tyler sich von Frankie zeigen, wie man die Segel einholte und setzte, aber er schien so gelangweilt, als wüsste er das alles schon. Seit dem Ereignis in Samuels Krankenzimmer hatte sie es vermieden, ihn anzusehen oder mit ihm zu sprechen, was nicht allzu schwer war, da auch er ihr aus dem Weg zu gehen schien.
Die Hitze stand in der Luft und sie widerstand dem Drang, schwimmen zu gehen. Sobald Wind auffrischte, würden sie den Anker einholen und Richtung Tortuga aufbrechen und Kimberly wollte nicht im Wasser sein, wenn es so weit war. Je schneller sie in Tortuga waren, desto besser. Dort gab es mehr Platz, um Tyler auszuweichen.
Ihr
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