Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
Krug entgegen, den Frankie ihr reichte – irgendwo hatte sie in ihrer Kajüte immer einen versteckt, anders war die Crew manchmal nicht zu ertragen – und hielt ihn dicht über die Wunde. „Wenn du schon sitzen musst, beug dich wenigstens etwas vor“, sagte sie und drückte gegen seinen Rücken. Langsam ließ sie den Alkohol über die Einschussstelle laufen.
Tyler verzog das Gesicht. „Schade um den schönen Rum.“
„Kannst du mal die Klappe halten?“, fuhr sie ihn an. „Und jetzt halt still.“
Kimberly beeilte sich, das grobe Tuch mehrmals um seinen Oberkörper und seinen linken Oberarm zu wickeln und zu verknoten. Ihre Fingerspitzen kribbelten, wenn sie seine honigfarbene Haut berührten, und sie hielt den Blick stur auf ihre Hände gerichtet.
„Und, wie sieht es aus? Werde ich es überleben?“, fragte Tyler. Sie hörte den Sarkasmus, der aus seiner Stimme tropfte wie das Salzwasser aus seinen Haaren.
Sie erwiderte seinen glühenden Blick und verzog das Gesicht zu einem bedauernden Lächeln. „Ich fürchte, ja.“
Über ihnen donnerte und krachte es, die Holy Devil erzitterte unter einem weiteren Treffer. Das spöttische Grinsen verschwand aus Tylers Gesicht, als auch ihm klar wurde, wie ernst die Lage war. Wie lange würden sie das noch aushalten?
Ein gewaltiges, neues Beben erschütterte das Schiff, es wackelte, als wollte es auseinander brechen und oben an Deck ertönte ein scheußliches Knirschen.
„Was ist das?“, fragte sie Frankie.
Bevor sie eine Antwort bekommen konnte, schlug etwas Gewaltiges auf dem Schiff auf, sodass sich die Holy Devil bedrohlich zur Seite neigte und die beiden Piraten beinahe das Gleichgewicht verloren. Tyler rutschte gegen die Kajütenwand und verzog das Gesicht, als seine Schulter gegen das Holz pallte.
Frankie riss entsetzt die Augen auf. Es hörte sich an, als rutschte ein riesiges Tier über Deck, prallte heftig gegen die Reling und zertrümmerte diese. Ein Fischdämon?
„Verdammte Scheiße“, fluchte er. „Du bleibst hier, Kim. Das ist nichts für dich.“
„Aber…“
„Kein Aber! Der Captain bringt mich um, wenn ich dich gehen lasse. Du bleibst hier, wo du sicher bist. Verstanden?“ So wütend hatte sie ihn noch nie gesehen, und sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass sich darunter Angst und Sorge verbargen. Erst da begriff sie, wie sehr die Spanier sie überrascht haben mussten und wie ernst ihre Lage war.
Sie schloss einen Moment die Augen und bemerkte noch etwas. Etwas stimmte nicht. Sie waren viel zu langsam. Und da verstand sie, was das große Ding gewesen war, dass über Deck gerutscht war.
Ein Mast war gebrochen.
Wenn sie die Spanier nicht versenken würden, dann…
… dann würden die Spanier sie versenken. Endgültig.
„Frankie…“
Er schüttelte nur noch einmal warnend den Kopf und rannte durch die Tür wieder hinauf an Deck, dorthin, wo gefeuert wurde. Wo es gefährlich war. Wo er sterben konnte. Sie ballte die Hände zu Fäusten, schluckte heftig und zählte in Gedanken bis zehn, um sich zu beruhigen, aber es half nichts. Die Angst um ihre Crew war zu groß. Das war nicht ihr erstes Seegefecht, aber die Sorge um die Menschen, die sie Familie nannte, wurde nie geringer.
Und ein Mensch scheint sogar wirklich zu meiner Familie gehören, dachte sie grimmig, als sie sich an ihr Gespräch mit Captain Barron erinnerte. Mein Vater? Kann das sein?
Wenn wir den heutigen Tag nicht überleben, ist es ohnehin egal.
Als sie den Blick hob, sah sie, dass Tyler abwesend auf den Boden starrte, die Augen dunkel, als wäre er in eine Erinnerung vertief. Es war keine Angst, es war eher so etwas wie … Kummer, den er mit kühler Wut zu überspielen versuchte.. Oben polterte es erneut und Tyler schloss die Augen. Er lehnte den Kopf gegen die Kajütenwand und streckte die Beine von sich, den verletzten Arm gegen die Brust gedrückt. Aus einem Impuls heraus ließ Kimberly sich neben ihm nieder und musterte ihn. Sein Gesicht war blasser als sonst, aber sonst wirkte es beinahe, als würde er schlafen. Seine Gesichtszüge waren schön, unter der blassen Haut zeichneten sich feine Adern ab und Kimberly fragte sich, wie sie jemals hatte denken können, er sei böse. Es war eine wilde, verwegene Schönheit, doch nun wirkte er trotz des stoppeligen Drei-Tage-Bartes beinahe sanft. Ein überwältigendes Bedürfnis, ihn beschützen zu müssen, überkam sie. Ihre Hand hob sich und strich ihm eine meeresnasse Strähne aus dem Gesicht. Die
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