Wenn dein dunkles Herz mich ruft (German Edition)
gemacht.“
Bill legte eine seiner riesigen Hände auf ihre Schulter. „Kim. Was ist passiert?“
Sie holte tief Luft. Ihre Stimme war leise und brüchig. „Gavin ist tot. Ethan auch. Die Holy Devil ist ein Wrack. Der Dämon wird immer stärker und Tyler ist wahrscheinlich böse und die alte Hexe hat versucht ihn umzubringen und – “
„Stopp, stopp, Kim. Beruhige dich. Wollen wir nicht nach hinten gehen? Da können wir in Ruhe weiterreden.“
„Nein.“ Sie atmete tief ein, aber die stickige Luft half nicht, ihre Gedanken zu klären. „Nein, ich muss hier raus. Ich muss nachdenken. Ich … tut mir leid, Bill. Frag Frankie, der ist auch hier. Ich … ich kann nicht.“
Sie rutschte von dem Sitzbalken und quetschte sich zum Ausgang durch, bevor Bill sie zurückhalten konnte. Einige Piraten riefen ihr nach, doch sie stürmte einfach weiter, atmete gierig die frische Luft an, als sie wieder nach draußen trat. Die Erinnerungen waren zu schmerzhaft, zu nah. Sie konnte nicht mit Bill über das reden, was passiert war. Und was half es ihr schon, wenn er nichts wusste? Sie suchte Antworten, nicht noch mehr Fragen.
Unschlüssig sah sie sich um. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte. Die sandigen Wege waren voller betrunkener Piraten und solcher, die es noch werden wollten, im Dschungel wohnte Crow und die Holy Devil war bis auf Tyler und ein oder zwei der Crew wahrscheinlich verlassen. Getrunken hatte sie mehr als genug und sie war dankbar für den seichten Wind, der ihr ums Gesicht strich. Er lichtete den Nebel des Alkohols ein wenig. Früher war sie mit Gavin immer umhergestrichen, sie hatten die anderen Crews beobachtet und belauscht, hatten kichernd zugesehen, wer wie lange im Freudenhaus verschwand und sich schließlich mit einem Krug voll Kokos-Rum am Strand ausgetobt.
Kimberly schluckte schwer und gönnte sich nur noch einen winzigen Augenblick mehr in den schönen Erinnerungen. Sie erkannte, dass Tortuga ohne Gavin nicht das Tortuga war, das sie liebte. Ihr Blick wanderte zurück zum Schiff. Ob Tyler…?
Nein. Tyler würde Gavin niemals ersetzen können. Nicht so. Er würde niemals ihr bester Freund werden. Aber wollte sie das überhaupt? Ihr Herz, das bei dem Gedanken an den Mann mit den goldenen Augen aufgeregt flatterte und ihr Magen, der sich verknotete, wann immer sie ihn sah, sagte ihr etwas anderes. Sie wollte ihn. Aber nicht so, nicht als besten Freund.
Die Mittagssonne schien heiß zwischen den Sturmwolken hervor, erhitzte die feuchte Luft noch mehr – und vielleicht auch Kimberlys Gemüt. In der Ferne flimmerte es, die Konturen wurden unscharf und der Sand unter ihren Füßen wurde wärmer. Bald würde sie nicht mehr barfuß auf ihm laufen können, ohne die Hitze dabei zu spüren. Kimberly strich sich die Haare aus dem Gesicht und band sie mit dem Leinenfetzen zusammen, den sie in ihrer Hosentasche bei sich trug. Schweiß klebte unter ihren Locken an ihrem Nacken und unzählige winzige Insekten umschwirrten sie. Sie schlug durch die Luft, um sie zu vertreiben und lief los, joggte über den Weg zum Strand. Dorthin, wo manchmal Wellen über den Sand rollten und wo das Wasser türkisfarben und glasklar war. Im Schatten der Palmen war es etwas angenehmer. Der Wind fuhr raschelnd durch die Wedel und hoch oben sah sie die Schalen einiger Kokosnüsse. Kimberly stemmte sich gegen den Stamm der Palme, wollte daran rütteln, bis sich die Nüsse lösten, aber dazu war sie nicht stark genug. In der Nähe standen kleinere Exemplare, jüngere Palmen, deren Stämme noch dünn waren, aber auch sie trugen schon Früchte. Sie eilte über den warmen Sand von Schatten zu Schatten, bis sie die Pflanzen erreicht hatte, und nutzte den Schwung, um sich gegen den dünnen Stamm zu werfen. Die Palme wackelte und oben zwischen den Blättern schwankten die Kokosnüsse, aber sie fielen nicht herunter.
„Ich schaffe das“, murmelte sie. „Ich kann alles schaffen, ich muss mich nur mehr anstrengen.“
Immer und immer wieder nahm sie Anlauf und drückte gegen den Palmenstamm und jedes Mal wackelten die Nüsse hoch oben ein wenig mehr. Sie hörte das Ächzen, wenn sich das Holz wieder aufrichtete und das Rascheln der Palmwedel. Und irgendwann hörte sie ein leises Reißen und sprang eilig zur Seite. Sie landete auf dem Bauch, Sand spritzte ihr ins Gesicht und drang unter ihre Kleidung. Fast gleichzeitig hörte sie neben sich ein hohles Plong, als die Nüsse aufkamen.
Ein breites Grinsen huschte über ihr Gesicht.
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