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Wenn der Acker brennt

Wenn der Acker brennt

Titel: Wenn der Acker brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Maerker
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Fotoreportage zu belohnen.
    Gegen sieben Uhr holte Christine die Bilder von Amatas Grab ab, die sie im Fotoladen des Hotels hatte entwickeln lassen, steckte sie in ihre Fototasche und machte sich zu Fuß auf den Weg zur Garmischer Sprungschanze.

8
    Die Zuschauer strömten durch die monumentalen Tore, dem architektonischen Nachlass der Olympischen Spiele von 1936. Sie suchten sich ihre Plätze auf den Tribünen, die das weitläufige Oval an drei Seiten umschlossen. Die Bühne war im Auslauf der neuen Skisprungschanze errichtet worden. Im Hintergrund erhob sich der Sprungturm mit seiner Anlaufspur. Er sah aus wie eine riesige Rutschbahn.
    »Ich muss verrückt sein, wenn ich auf ein Gespräch mit ihm hoffe«, murmelte Christine, als sie wieder daran dachte, wie Rick sie am Nachmittag in der Lounge abgekanzelt hatte. Der Mann hatte die Beziehung zur Wirklichkeit bereits verloren, wenn er hinter jedem Fotoapparat eine Gefahr witterte. Sie würde viel Geduld aufbringen müssen.
    Während Johann mit den Technikern letzte Absprachen traf, Adam und Stefan sich einen Joint vor dem Auftritt gönnten und die geladenen Gäste des örtlichen Showbusiness und der Politik beobachteten, die sich mit Bier und Champagner auf das Ereignis einstimmten, saß Rick in der hintersten Ecke des Backstage-Zeltes auf dem Boden und signalisierte jedem, der sich ihm näherte, dass er nicht angesprochen werden wollte. Er hatte versucht, Georg Denninger anzurufen, um herauszufinden, ob er mit der Fotografin gesprochen hatte, hatte ihn aber nicht erreicht. Doch egal, ob der alte Mann sie nun geschickt hatte oder nicht, er würde ihr mit allem, was ihm zur Verfügung stand, Einhalt gebieten. Morgen würde er einen seiner Anwälte beauftragen, mit dem Maron Verlag in Kontakt zu treten. Er sollte den Leuten klarmachen, dass er sie verklagen würde, sollte Christine Weingard eine abstruse Geschichte über ihn konstruieren, nur um eine hohe Auflage für ihre Zeitschrift zu garantieren. Davor wollte er aber noch einmal selbst mit ihr sprechen. Sie machte nicht den Eindruck eines skrupellosen Paparazzos. Möglicherweise konnte er sie überzeugen, ihn in Ruhe zu lassen. Nein, ein Paparazzo ist sie nicht, dachte er und lächelte in sich hinein, als er an den Fotografen aus Fellinis »La dolce vita« dachte, dessen Name für dieses Phänomen herhielt.
    »Bist du so weit?«, fragte Johann.
    »Ja«, antwortete Rick und war froh, dass das Gedankenkarussell anhielt.
    Nachdem die Vorgruppe die Bühne geräumt hatte, wurde A.L.M . mit stürmischem Applaus begrüßt. Die Show war so geplant, dass die ersten Töne der Musik erklangen, sobald die Sonne hinter den Bergen verschwand und den Himmel in tiefes Purpur tauchte. Die Scheinwerfer auf der Bühne übernahmen das Farbenspiel, vermittelten das Gefühl, die Bühne sei ein Teil des Himmels. Rick spürte die Macht, die er über das Publikum besaß. Er müsste nur mit den Fingern schnippen, und die Leute würden tun, was er von ihnen verlangte. Jedenfalls so lange, wie er auf der Bühne stand und sie zu ihm aufschauten. Diese Kraft zu spüren war erregend, stieß ihn aber gleichzeitig auch ab, weil es ihn zu etwas erhob, was er nicht war. Er taugte nicht länger als Idol. Das Leben musste mehr zu bieten haben als diesen unwirklichen Rausch der Sinne.
    Christine hatte darauf geachtet, dass Rick Linden sie vor dem Konzert nicht entdeckte. Sie wollte mit ihm reden, wenn der Auftritt vorbei war, wenn der Druck, perfekt zu sein, von ihm abfiel. Sie stand zwischen den Fotografen, die sich vor der Bühne platziert hatten, und nutzte wie sie jede Chance auf ein Foto. Irgendwann setzte sich Rick auf einen Barhocker, umfasste das Mikrofon und sang über den Jungen, dessen Familie ein Feuer zum Verhängnis wird. Es war der Song, den sie vorhin noch im Wagen gehört hatte. Ein ruhiges Lied. Am Anfang wurde seine Stimme nur von Gitarren begleitet. Das Publikum verstummte, hörte gebannt zu, und Christine ließ ihren Fotoapparat sinken.
    Inzwischen war es dunkel geworden, der Mond zeigte sich als weiße Sichel, umringt von Sternen, die Gipfel der Berge waren Schatten in der Dunkelheit. Christine dachte nicht mehr an das Tagebuch, nicht mehr an Amata, es gab für sie nur noch Rick Linden und seine Stimme, die diesen Augenblick zu einem einzigartigen Moment machte.
    Nach dem Ende des Konzertes wartete sie neben dem Aufgang zur Bühne, fotografierte die Musiker, als sie die Treppe herunterkamen. Alles lief glatt, bis sie die Kamera

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