Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
Familiendinner war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. » Mutter erzählte mir, dass du gerne Medizin studieren würdest, Koar«, sagte sie in dem Versuch, das Gesprächsthema zu wechseln. » Hat dich Mr. Moorhouse auf den Gedanken gebracht?« Der Protector hatte in England als Landarzt praktiziert, ehe er seinen Posten hier angenommen hatte.
Karl kam Koar mit einer Antwort zuvor und erzählte von dem Anatomiebuch, anhand dessen er die Körperproportionen hatte üben wollen. Koar hingegen war weniger an den Proportionen als an den Funktionen interessiert. Karls Kenntnisse hierüber waren äußerst beschränkt. Also hatte er dem Freund, halb im Scherz, geraten, bei Dr. Woodforde vorzusprechen und ihn um entsprechende Lehrbücher zu bitten. Und der alte Herr war nur zu gerne bereit gewesen, dem jungen Aborigine im Austausch gegen seine Kenntnisse der einheimischen Heilkräuter medizinische Werke auszuleihen. » In der Lateinklasse ist Koar inzwischen unter den Besten«, berichtete Karl stolz. » Und Dr. Woodforde hat neulich angeboten, ihm Empfehlungsschreiben für all seine alten Bekannten in London mitzugeben. Wir müssen nur noch einen Gönner finden, der bereit ist, für das Studium aufzukommen.«
Ganz so einfach, wie Karl es sich vorstellte, würde es nicht werden. Obwohl Dorothea keine Ahnung von den Gepflogenheiten der Universitäten hatte, bezweifelte sie doch, dass die ehrwürdige Londoner Fakultät ohne größere Umstände einen Aborigine als Studenten annehmen würde. Aber vielleicht gab es andere Möglichkeiten. Sie würde Robert um Rat fragen.
» Würden Sie mich auch Messerwerfen lehren, Mr. Rathbone?« Heathers atemlos hervorgestoßene Frage ließ alle verblüfft aufhorchen.
» Sicher. Wenn deine Mutter, ich meine Dorothy, nichts dagegen einzuwenden hat.« Ian wirkte im Gegensatz zu allen Übrigen nicht im Geringsten irritiert. Im Gegenteil: Er schien die ungewöhnliche Bitte für ein ganz normales Anliegen zu halten.
» Ich auch!« Ehe Dorothea etwas hatte äußern können, war ihre kleine Schwester bereits damit herausgeplatzt. Lischen sah ihre Mutter bittend an. » Bitte, Mama, erlaube es! Wenn Doro und Heather es tun, will ich es auch.«
» Es ist nicht gerade ein passender Zeitvertreib für junge, wohlerzogene Damen«, sagte Mutter Schumann streng. » Und ich bin fast sicher, dass Mr. Masters es ebenfalls missbilligen würde.«
» Er muss es ja nicht wissen.« Heather warf ihrer Stiefmutter einen verschlagenen Blick zu. » Wenn du es vor ihm geheim halten kannst, kann ich es auch. Zu zweit ist es leichter, ein Geheimnis zu bewahren.« Dorothea war mit ihrer Stieftochter inzwischen vertraut genug, um die versteckte Drohung als solche zu erkennen. Dieses kleine Biest!
» Messerwerfen ist doch nichts für kleine Mädchen. Bleibt lieber bei euren Puppen und Stickübungen.« August lächelte gönnerhaft, und dieses Lächeln voll männlicher Herablassung gab den Ausschlag zu einem plötzlichen Sinneswandel: Eben noch hatte Dorothea trotz der versuchten Erpressung ihrer Mutter recht geben wollen, jetzt hörte sie sich sagen: » Man weiß doch nie, was einem in der Wildnis nützlich sein kann. Ich denke nicht, dass Robert etwas dagegen haben würde, solange wir nicht in aller Öffentlichkeit damit hausieren gehen.« Sie wandte sich an Ian: » Vielleicht könnten wir im Garten üben.«
» Nein, das kommt nicht infrage.« Mutter Schumanns Stimme verriet jedem, der sie kannte, dass es keinen Sinn hätte, sie umstimmen zu wollen. » Nicht in meinen vier Wänden! Das wäre ja noch schöner, dass man hier im Haus nicht mehr seines Lebens sicher ist.«
» Mrs. Schumann hat vollkommen recht«, sagte Ian eilig und deutete eine kleine Verneigung an. » Es wäre nicht passend. Aber was hielten Sie davon, wenn ich die jungen Damen und Mrs. Masters zu einem Picknick einlüde? Im Busch könnten wir völlig ohne Gefahr für jeden Unbeteiligten ein wenig üben, und dabei dürfte sich die Begeisterung für diese Betätigung dann schnell verflüchtigen.« Er lächelte übermütig in die Runde. » Vielleicht möchten sich uns ja noch mehr Teilnehmer anschließen?«
August und die Jungen lehnten dankend ab. Mutter Schumann erklärte, momentan wirklich keine Zeit erübrigen zu können. » Aber ein Ausflug wäre sicher eine nette Abwechslung für die Mädchen. Wenn es nicht zu anstrengend wird…« Sie sprach nicht weiter, aber alle außer Ian wussten auch so, was sie meinte.
» Bist du nicht ein bisschen
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