Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Titel: Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: peterson
Vom Netzwerk:
überfielen.«
    Kaum hatte Dorothea einen Blick auf die Malerei geworfen, als sie spürte, wie ihr Atem stockte und die Härchen in ihrem Nacken sich sträubten. Das war er: der Skelettmann von Eden-House!
    Er war geradezu unheimlich gut getroffen: als würde er jeden Moment aus dem Felsen heraustreten. Abgestoßen und zugleich fasziniert hing Dorotheas Blick an seinem Konterfei. In der Nacht hatte sie ihn nur undeutlich sehen können, jetzt, im hellen Licht der Mittagssonne, war jede Einzelheit klar zu erkennen. Und trotz der lieblichen Umgebung ging von dem Bild etwas seltsam Bedrohliches aus. Es schien sie aus dunklen Augenhöhlen anzustarren, ihr eine Botschaft vermitteln zu wollen. Hinter dieser Figur steckte mehr als nur ein skurril bemalter Eingeborener.
    » Was hat er da eigentlich in der linken Hand? Es sieht fast aus, als wären das Menschenköpfe…« Ians Stimme riss sie aus ihrer Erstarrung. » Und in der rechten– ist das ein Kängurubein oder ein waddy?« Dorothea löste sich mit einiger Anstrengung aus der hypnotischen Anziehungskraft des gespenstischen Totenschädels. Tatsächlich war das, was er in Händen trug, nicht weniger grausig als seine Erscheinung. Die Köpfe waren in ihrer plastischen Darstellung grauenhaft naturgetreu: Die eingetrockneten Augenhöhlen hatten sich zu Schlitzen verengt, dafür hingen die Unterkiefer schlaff herunter und vermittelten dadurch den Eindruck, als seien die Münder zu schrecklichen Schreien aufgerissen. Und was Ian anscheinend nicht aufgefallen war: Die Köpfe waren alle weiß.
    » Komm weiter, das ist wirklich kein schöner Anblick«, sagte Ian im gleichen Moment. » Manchmal muss man sich schon wundern, was in diesen Traumgeschichten von ihnen alles an Scheußlichkeiten vorkommt.«
    Die übrigen Felsbilder zeigten ausnahmslos Tiere der Umgebung, keine Menschen. Dennoch spürte Dorothea ein wachsendes Unbehagen. Sie mochte diesen Ort nicht. Etwas an ihm verursachte ihr Gänsehaut. War es das Felsbild des Skelettmanns? Die frische, von Fußspuren durchzogene Asche? Am liebsten wäre sie schleunigst nach Adelaide zurückgekehrt.
    Aber das hätte zu empörten Protesten geführt. Heather und Lischen hatten den Hügel mehrfach umrundet und dabei in versteckten Felsnischen einiges gefunden: besonders schöne Schneckenhäuser und Muschelschalen, fein gewirkte Körbchen aus Gras, geheimnisvoll bemalte Kiesel und Flintsteine. Die von Heather als » Staubwedel« bezeichneten Federbüsche hatten rund um eine frische Feuerstelle am westlichen Ende gelegen.
    » Vermutlich haben sie hier vor Kurzem ein palti abgehalten«, vermutete Ian und warf einen gleichgültigen Blick auf den grau-weißen Aschekegel. Ein plötzlicher Windstoß blies eine Staubwolke auf und legte etwas frei, das seine Aufmerksamkeit erregte. » Was ist denn das?« Er kniff die Augen zusammen und ging in die Hocke, um vorsichtig nach dem verkohlten Gegenstand zu greifen. Alle vier sahen verblüfft auf das dicke, schwarze Buch mit den vom Feuer angefressenen Ecken. Als Ian es vorsichtig aufschlug, sah man, dass die Flammen es nur äußerlich versengt hatten– die Seiten waren zwar an den Rändern bräunlich verfärbt, aber noch einwandfrei lesbar. » Es ist eine Bibel«, stellte Ian verwundert fest. » Warum zum Teufel verbrennen sie eine Bibel?«
    Diese Frage ließ Dorothea nicht mehr los. Sie hatten sie in Blätter eingeschlagen und in den Picknickkorb gelegt. In Adelaide würden sie sie Mr. Moorhouse bringen. Er sollte entscheiden, ob und was er gegen diese Blasphemie unternehmen wollte. Die heitere Stimmung des Morgens war irgendwie verflogen, aber als hätten sie sich darauf verständigt, es nicht wahrhaben zu wollen, agierten sie alle mit einer aufgesetzten Fröhlichkeit, die Dorothea an das Verhalten bei einem Kranken erinnerte, dem man Zuversicht vorspielt, wo in Wahrheit keine Hoffnung mehr besteht.

14
    I an malte mit der Asche eine Zielscheibe auf einen nahe gelegenen Baumstamm und holte sein Messer aus dem Stiefelschaft. Während er den Mädchen erklärte, welche Körperhaltung man einzunehmen hätte und worauf sie achten mussten, schweiften Dorotheas Gedanken auf das Schiff und zurück zu ihren Unterrichtsstunden mit ihm. Damals war ihr nicht aufgefallen, dass er solch ein guter Lehrer war. Er wurde nicht ungeduldig, auch wenn er zum zwanzigsten Mal die Körperhaltung korrigierte. Seine dementsprechenden Hinweise waren immer genau richtig, und er ermutigte Lischen, die schnell aufzugeben

Weitere Kostenlose Bücher