Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t

Titel: Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: peterson
Vom Netzwerk:
ihr klar, wieso sie alles nur gedämpft wahrgenommen hatte. Der Zugang zu dieser Höhle war sorgfältig mit Opossumfell abgedichtet. Mit äußerster Vorsicht schob sie den Rand ein wenig zur Seite und lugte durch den schmalen Spalt zwischen Felswand und Fell. Es dauerte einige Zeit, bis sie begriff, was sie sah. Es konnte nur eine Täuschung sein!
    Aber sie träumte nicht, und ihre Augen spielten ihr auch keinen Streich: Genau in ihrer Blickrichtung, unter dem Felsbild einer riesigen Schlange, lag Sams Kopf auf einem Gerüst aus grünen Eukalyptuszweigen. Die Rauchschwaden des darunter glimmenden Feuers verhüllten ihn wie ein Nebelschleier, aber es waren dennoch unverkennbar Sams Züge. Auch wenn sie jetzt seltsam verzerrt wirkten, gab es keinen Zweifel. Verstört starrte sie darauf, jede Einzelheit des schrecklichen Bildes grub sich unwiderruflich in ihr Gedächtnis. Die weiße Struktur der Wirbel, wo sein Mörder den Hals durchtrennt hatte; das rötliche Fleisch der Muskeln; die eine Sehne, die er nicht durchtrennt, sondern einfach herausgerissen hatte und die jetzt herunterhing wie ein harmloses Band.
    Der ätzende Rauch, der den Raum erfüllte und begann, durch den Spalt zu strömen, reizte ihre Atemwege. Um ein Haar wäre sie in einen Hustenanfall ausgebrochen. Das brachte sie zur Besinnung. Sie zog das Fell wieder zurecht und versuchte, die Fäuste gegen den Mund gepresst, den Hustenreiz und die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Der Mann war verrückt! Sie war in der Gewalt eines Wahnsinnigen! Würde er ihr auch den Kopf abschneiden, oder hatte er gar noch Schlimmeres mit ihr vor? Wo war er überhaupt? Sie hatte ihn gar nicht gesehen.
    Noch einmal schob sie den Fellvorhang beiseite, achtete dabei jedoch darauf, den Anblick von Sams Kopf so gut wie möglich zu vermeiden. Der Skelettmann kauerte ein paar Schritte vom Feuer entfernt auf dem Boden und wiegte seinen Oberkörper langsam hin und her. Seine Augen waren geschlossen, Speichel tropfte ihm aus den Mundwinkeln. Er hatte aufgehört zu singen. Stattdessen gab er jetzt gutturale Laute von sich, die eher an ein Tier als an einen Menschen denken ließen. In seiner Trance wirkte er blind und taub gegen seine Umgebung, deswegen wagte Dorothea einen genaueren Blick. Auch wenn man durch die Rauchschwaden hindurch nicht allzu viel erkennen konnte, schien die Felsenkammer ihr erstaunlich klein zu sein. Die Wände waren über und über bemalt mit seltsamen Kreaturen im gleichen Stil wie an dem Kultplatz, an dem sie mit Ian das Picknick abgehalten hatten. Im Zentrum des Gewimmels eine Art Riesenschlange mit aufgerissenem Maul, vor der auf einem flachen Stein einige runde Klumpen lagen. Steine? Sie kniff die Augen zusammen, um erkennen zu können, worum es sich handelte. Von Größe und Form her waren sie beinahe identisch, und sie schienen mit irgendetwas Moosartigem bewachsen zu sein. Etwas an ihnen kam ihr sonderbar vertraut vor wie…
    Auf einmal wusste sie, was da lag. Menschliche Köpfe. Mumifiziert, wie es gerade mit Sams Kopf geschah. Sie ließ den Fellvorhang fahren und biss sich in die Hand, um nicht zu schreien. Ihre Knie gaben unter ihr nach, und sie sackte zu Boden. Sie träumte, sie musste träumen. So etwas konnte doch gar nicht wahr sein. Sicher lag es an diesem schrecklichen Rauch, dass sie auch schon halluzinierte und harmlose Steine für Schädel hielt!
    Diesmal sah sie genauer hin. Drei von ihnen wiesen deutlich helleres Moos auf als die anderen. Blondes Haar, das durch den heißen Rauch zwar strähnig und angekohlt, aber immer noch deutlich heller als das der Aborigines war. Es mussten also Europäer sein, die er wie Sam ermordet und deren Köpfe er hier in diesem grausigen Heiligtum aufgestellt hatte.
    Wer waren diese armen Menschen, die er abgeschlachtet hatte? Hirten? Viehtreiber? Geflüchtete Sträflinge aus Neu-Südwales?
    Plötzlich erinnerte sie sich klar an ihre eigenen Worte: Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich nachforschen, was aus der Mannschaft geworden ist! Ihr Schicksal hatte damals niemanden interessiert. Nach der öffentlichen Empörung über die Hinrichtung der zwei Verdächtigen waren sowohl Gouverneur Gawler als auch Major O’Halloran mehr um ihre eigene Haut besorgt gewesen, als dass das Schicksal von ein paar Seeleuten sie gekümmert hätte. Wie die Passagiere hatte keiner von ihnen Verwandte oder Freunde in einflussreicher Position gehabt, die weitere Suchexpeditionen gefordert hätten. Also war ihr Verschwinden

Weitere Kostenlose Bücher