Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
es sein sollte«, fuhr er fort. Seine Stimme klang nachdenklich, fast verunsichert. » Dabei stehe ich kurz vor dem Ziel.«
» Wovon?«, flüsterte sie, unsicher, ob sie nicht besser schweigen sollte. Sie wollte diesen Mann auf keinen Fall unnötig reizen.
Er schwieg. Nach längerer Zeit, sie erwartete schon gar nicht mehr, dass er ihr noch antworten würde, sagte er: » Der Zauber, der die Regenbogenschlange ruft, ist beinahe vollendet. Bald, sehr bald wird sie kommen, um die Weißen ins Meer zurückzutreiben und sie in Strömen von Blut ertrinken zu lassen. Danach wird alles wieder so sein, wie es sich gehört: Recht und Gesetz werden wieder respektiert, wie unsere Ahnen es uns gelehrt haben. Und ich werde einer der mächtigsten Anführer meines Volkes werden. Die Generationen nach mir werden sich nur mit Ehrfurcht an mich erinnern, wenn sie meine Geschichte erzählen.«
» Hast du dafür all diese armen Menschen umgebracht?«, platzte Dorothea heraus. Der arme Sam! Bei dem Gedanken an den Kopf des alten Mannes stiegen ihr die Tränen in die Augen und rannen ihr über die Wangen. Nie wieder würde sie sein verschmitztes Grinsen sehen, seine zwinkernden Augen oder seine spezielle Art, die Lippen zum Pfeifen zu spitzen.
Durch den Tränenschleier hindurch sah sie, wie er sie drohend fixierte. » Du warst in der heiligen Höhle?«
» Nein.« Sie wischte sich über die Augen und schüttelte entschieden den Kopf. Keinen Fuß würde sie dort hineinsetzen! » Ich habe dich gesucht«, log sie. » Und da habe ich ganz kurz den Vorhang angehoben, ich bin gleich wieder gegangen. Aber da habe ich…« Dorothea brachte es nicht fertig weiterzusprechen.
» Er war ein tapferer Mann«, sagte er leise. » Ihn zu töten war ein harter Kampf.«
» Warum musstest du Sam überhaupt töten? Er hat dir doch nichts getan. Und all die anderen dort drinnen auch nicht.«
Plötzlicher Ärger blitzte in seinen Augen auf. » Du verstehst nichts. Aber wie auch? Schließlich bist du nur eine Frau!– Sie waren alle gute Kämpfer. Die Feiglinge haben wir den Dingos überlassen. Ich habe der Regenbogenschlange nur starke Seelen gesandt.«
Verwirrt versuchte Dorothea, den Sinn hinter seinen Worten zu verstehen. » Gesandt?– Was meinst du damit?«
Aber seine Mitteilsamkeit schien erschöpft. Er machte keine Anstalten, ihr zu antworten. Stattdessen starrte er mit düsterer Miene in die flackernden Flammen…
Ihre zweite Nacht in der Gefangenschaft des Skelettmanns verlief ähnlich wie die erste. Außer dass sie erstaunlich rasch einschlief. Vielleicht lag das auch an dem seltsamen Gebräu, das er aus diversen Pulvern und getrockneten Pflanzenteilen zusammengerührt hatte. Zuerst hatte sie die bräunliche Brühe angeekelt zurückgewiesen, aber der Skelettmann hatte erklärt, sie ihr notfalls mit Gewalt einzuflößen. Da hatte sie den Rindenbecher genommen und an seinem trüben Inhalt geschnuppert.
» Was ist das?«, hatte sie gefragt. » Gift?«
Er hatte den Kopf geschüttelt, und die Andeutung eines Lächelns hatte auf seinen Lippen gelegen. » Nein, nur eine Medizin.«
» Willst du mein Kind töten?« Seltsamerweise erschreckte diese Möglichkeit sie nicht in dem Ausmaß, wie man hätte annehmen können.
» Die Zeit ist noch nicht gekommen, den Kindgeist zu fangen. Du bist ziemlich störrisch. Eine Frau sollte schweigen und gehorchen«, hatte er mit deutlichem Tadel festgestellt. » Trink es. Sonst wirst du es bereuen, mich herausgefordert zu haben.«
Ihr Mut hatte sie verlassen, als sie sich bewusst gemacht hatte, dass sie ihm vollkommen ausgeliefert war. Wenn er wollte, konnte er ihr genauso den Kopf abschneiden wie Sam und den Männern dort hinten. Resigniert hatte sie den Becher geleert und voll Unruhe auf die Wirkung gewartet. Würde sie schreckliche Schmerzen empfinden oder eher nichts? Er hatte amüsiert gewirkt, als er ihr einen Streifen Fleisch hinwarf wie einem Hund und mit einer beiläufigen Handbewegung bedeutete, sie dürfe sich jetzt an ihren Platz zurückziehen.
Einigermaßen beruhigt– er würde ihr sicher nichts zu essen geben, wenn er gerade dabei war, sie zu vergiften– hatte sie das zähe Fleisch verschlungen wie die größte Delikatesse. Und dann war sie plötzlich sehr, sehr müde geworden.
Diesmal erwachte sie vor ihm. Unwillkürlich suchten ihre Augen im dämmrigen Dunkel nach den Speeren und dem Waddie. Wenn sie nur schnell genug wäre… Aber das war illusorisch. Noch bevor sie auch nur die Hälfte der
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