Wenn der Eukalyptus blüh dorothea1t
seufzte leise auf. » Ich bin diesem Kind nicht gewachsen, bin es nie gewesen.«
Betrübt starrte sie auf die Tischdecke vor sich, als sähe sie dort die Bilder der Vergangenheit.
» Ich bin sicher, Heather hätte es nicht besser treffen können«, versuchte Dorothea, sie zu trösten. » Mein Vater meinte immer, Kindern sollten die Härten des Lebens so lange erspart bleiben, bis sie stark genug wären, sie zu ertragen.«
Lady Chatwick schmunzelte. » Ungewöhnliche Ansicht! Ich hätte deinen Vater gerne kennengelernt, meine Liebe. Aber jetzt lasse ich euch alleine. Sicher habt ihr noch eine Menge unter vier Augen zu besprechen.« Damit rauschte sie aus dem Esszimmer und zog energisch die Tür hinter sich zu.
Dorothea gewöhnte sich relativ schnell an den Tagesablauf in Eden-House. Er begann mit einem Frühstück, zu dem Robert Eier mit Schinken, Lady Chatwick Rosinenbrötchen mit Butter, Scones genannt, und Heather Toastschnitten mit Marmelade serviert wurden.
Nach kurzem Zögern entschied Dorothea sich ebenfalls für Toast. Das kam ihrem gewohnten deutschen Frühstück noch am nächsten.
Gegen Ende der Mahlzeit pflegte meist Sam » auf ein Tässchen« aufzutauchen und mit Robert » Kriegsrat zu halten«. Die Weiden und mehr noch die Hirten mussten in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden, da Letztere zu Unzuverlässigkeit neigten. Das war kein Wunder, hatte Robert Dorothea erklärt: Die meisten von ihnen waren sehr einfache Männer, die in der Einsamkeit oft Trost im Branntwein suchten und wenig Verantwortungsbewusstsein für die ihnen anvertrauten Tiere verspürten. » Wenn sie nicht täglich damit rechnen müssen, dass jemand von uns vorbeikommt, würden sie den lieben, langen Tag mit ihren Schnapsvorräten unter einem Baum liegen und rauchen.«
Auch die Pferde und die noch recht überschaubare Herde Milchkühe erforderten auf ihren jeweiligen Weiden einiges an Aufmerksamkeit. Um die Kühe kümmerte sich der wortkarge Stallbursche John, ein rothaariger Ire, der sich mit den Tieren wohler fühlte als mit Menschen.
Sobald die Männer dann aufgebrochen waren, erschien Mrs. Perkins, um mit Dorothea die Hausarbeiten zu besprechen. Da Eden-House so abgeschieden lag, hatten sie ein spezielles Abkommen mit den Hahndorfern: Einmal wöchentlich traf man sich auf dem Mount Barker. Dort wurden die Wäschekörbe ausgetauscht und die Gemüsevorräte aufgefrischt. Dorothea hatte schon in Adelaide mitbekommen, dass englische Hausfrauen nicht selbst wuschen, sondern es vorzogen, die gesamte Wäsche außer Haus zu geben. Es war eine gute Verdienstmöglichkeit für die deutschen Frauen der Umgebung.
Zwar gab es einen kleinen Gemüsegarten hinter dem Haupthaus, aber Mrs. Perkins hatte sich entschieden geweigert, Kartoffeln anzubauen, und ihr gärtnerisches Geschick war leider nicht allzu groß. Es reichte für Salat, Gurken, Tomaten und unempfindliche Obstsorten; Melonen, Buschbohnen und Aprikosen beispielsweise überstiegen es jedoch deutlich.
Auf Roberts Rat hin hatte Dorothea sämtliche Menüpläne anstandslos akzeptiert, was zu einem angenehm entspannten Verhältnis zwischen der Köchin und ihr sicher beigetragen hatte. Waren diese Dinge erledigt, wartete das Schulzimmer. Am ersten Morgen hatte sie mit heftig klopfendem Herzen den hellen, freundlichen Raum betreten. Heather saß bereits an ihrem Pult. Kerzengerade aufgerichtet, die gestärkten Rüschen an ihrer Schürze gesträubt wie die Halskrause einer angriffslustigen Eidechse.
» Am besten zeigst du mir, was du bisher gemacht hast«, sagte Dorothea und erwartete insgeheim schon eine widerborstige Erwiderung. Zu ihrer Überraschung holte Heather ohne erkennbaren Widerwillen ihre Hefte aus dem Pult und reichte sie ihr. Recht schnell war Dorothea klar, dass eine Ausbildung des Mädchens bisher bestenfalls rudimentär stattgefunden hatte. Das wirre Gekrakel auf den Seiten war kaum zu entziffern, und die primitiven Additions- und Subtraktionsrechnungen im Stil von » 1+4« oder » 7-6« erschienen ihr ebenfalls nicht ganz angemessen. Genau konnte sie sich nicht mehr erinnern, aber sie war sich sicher, dass Lischen in Heathers Alter bereits deutlich weiter gewesen war.
» Wer hat dich unterrichtet?«, fragte sie so neutral wie möglich. » Dein Vater?«
» Der hat doch nie Zeit«, gab das Mädchen mürrisch zurück. » Tante Bella hat damit angefangen, aber zuletzt kam immer etwas dazwischen.« Lady Chatwick hatte ihr kurz zuvor unter vier Augen anvertraut,
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