Wenn die Liebe dich findet
schlecht behandelt oder seine Mutter vor die Tür gesetzt hatte. Aber anscheinend hatte er so viel Spaß im Bett mit ihr gehabt, dass er sich zu diesem Schritt entschloss.
Er war mit allen Privilegien aufgewachsen, die eine wohlhabende adlige Familie nur bieten konnte, und hatte nie den Verdacht gehegt, dass er nicht dazugehörte. Es schien ihm nur natürlich, dass sein Bruder Justin als Erstgeborener alles Lob und alle Zuneigung von ihrem Vater bekam. Und jetzt, erst vor Kurzem hatte seine Mutter auch noch zugegeben, dass der Earl kurz vor seinem Tod seinen leiblichen Sohn über den Seitensprung seiner Gattin aufgeklärt hatte.
Seither hatte sich die Beziehung zu seinem Bruder völlig verändert, doch Justin hatte ihm nie gesagt, warum er ihn auf einmal nicht mehr liebte, sondern verachtete. Zuerst dachte er, es läge an seinen Spielschulden – verdammtes Pech –, über die Justin sich so aufregte und die zu bezahlen er sich weigerte. Aber Justin hatte seinem jüngeren Bruder auch zwei Chancen auf eine gute Heirat ruiniert, indem er die Väter der jungen Damen jeweils informierte, dass sein Bruder völlig mittellos war, keinerlei Aussichten auf Vermögen hatte, und dass er in seiner Familie nicht mehr willkommen wäre, falls er heiraten sollte. Das war unglaublich gemein gewesen. Damit hatte er dafür gesorgt, dass das Loch, in das er gefallen war, tiefer und tiefer wurde. Es war ein Wunder, dass Justin ihn noch nicht aus dem Haus geworfen hatte – und das auch nur dank seiner Mutter.
Jetzt hasste er dieses Haus, in dem er aufgewachsen war, in überbordendem Luxus, von dem nichts einmal ihm gehören würde. Er hasste den Bruder, den er einst so verehrt hatte. Und er begann, auch seine Mutter zu hassen. Wenn sie ihm nicht die Wahrheit gesagt und ihn dazu gebracht hätte, sich bei seinem leiblichen Vater einzuschmeicheln, hätte er nie die Hoffnung aufgegeben, dass all dieser Reichtum einmal ihm gehören würde. Er hätte sich nicht so schwer verschulden müssen, da das Spiel ihm der einzige Weg schien, um an Geld zu kommen. Hätte nie herausgefunden, dass es einen weiteren Halbbruder gab, auf den sein leiblicher Vater so stolz war, dass er ihm sein gesamtes Vermögen und seinen Titel vermachte, ihm allein. Das verdammte Glück! Nur um ihn schien es einen Bogen zu machen.
Seine Mutter wusste nichts von diesem anderen Bastard. Sie war so überzeugt gewesen, dass er lediglich bei seinem Vater auftauchen müsste und ihm dann alles wie von selbst in den Schoß fallen würde. Sie hätte wissen müssen, dass dieser Mann – wenn er schon so ein Lump war, dass er mit ihr eine Affäre angefangen hatte – natürlich auch weitere Bastarde in ganz England gezeugt hatte. Er wusste nicht, ob es noch mehr davon gab, aber es spielte auch keine Rolle. Dieser eine, den sein Vater so schätzte, stand ihm im Weg – im Weg zu dem Vermögen, von dem Marianne ihm versichert hatte, dass es eines Tages ihm gehören würde.
Er hatte versucht, den Ruf des anderen Bastards zu ruinieren, damit ihr Vater ihn auch ablehnte, aber das hatte nicht im Geringsten funktioniert. Ihn umzubringen war ebenfalls nicht so einfach. Der Kerl hatte schlicht verdammtes Glück – oder er hatte völlig inkompetente Auftragsmörder angeheuert. Auch möglich. Vielleicht war es doch nicht der ideale Weg, seinen Konkurrenten auszuschalten, indem er irgendwelche Schlägertypen von der Straße anheuerte.
Seine einzige andere Option bestand darin, Justin umzubringen. Doch auch wenn er seinen Bruder inzwischen hasste: Das war nicht immer der Fall gewesen, weshalb er nicht ganz im Ernst sprach, als er zu seiner Mutter sagte: »Ich könnte auch einfach deinen anderen Sohn umbringen.«
Sie stand abrupt auf, ging zu ihm hinüber und hinterließ einen Abdruck ihrer Hand auf seiner Wange. »Und deine Neffen auch? Meine Enkel? Dieser Adelstitel wird nie deiner sein, und ich will nie wieder etwas davon hören!«
»Ich habe es nicht so gemeint«, murmelte er. »Ich habe immer noch ein Ass im Ärmel.«
»Dann setz es ein! Dir läuft die Zeit davon. Dein Vater könnte jeden Tag sterben.«
»Aber er kann mich nicht einmal leiden! Ich habe dir erzählt, dass er mich ausspionieren lässt. Er nennt mich einen Versager. Er sagt, er gibt mir überhaupt nichts, weil ich sowieso nur alles verspiele.«
Marianne schnalzte verächtlich mit der Zunge. »Er ist eben enttäuscht von dir, aber er hat niemanden, dem er seinen Reichtum vermachen kann. Er wird dich schon noch
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