Wenn die Liebe erblueht - Im Rosengarten der Liebe
akzeptieren, wie gut und stark sie sich fühlen und dass es ihr gröÃter Wunsch ist, so stark und in Würde zu sterben. Sie haben das Bedürfnis, ihre Gefühle und Erfahrungen denen mitzuteilen, die ihnen nahestehen,und können es oft nicht, weil die Familie, die Freunde sich weigern, die Wahrheit zu sehen. Umso mehr freue ich mich, dass zwischen Ihnen und Ihrer Tante diese Offenheit möglich war.â
âIch bin so feige gewesenâ, sagte Geraldine. âUnd so egoistisch, weil ich mich so lange dagegen gesträubt habe, ihr zuzuhören, was sie wirklich empfindet. Wissen Sie, Tante May ist der einzige Mensch, den ich noch habe, und deshalb â¦â
âIch weiÃ, Geraldine. Sie hat mir erzählt, wie sie Sie nach dem Tod Ihrer Eltern groÃgezogen hat. Sie müssen sich wegen Ihrer Gefühle nicht schämen oder schuldig fühlen. In einer Ausnahmesituation wie dieser, wenn man sich damit abfinden muss, einen geliebten Menschen zu verlieren, ist es nicht ungewöhnlich, wenn man zu manchen Zeiten Zorn, Groll, ja, sogar Hass empfindet.â
âSie meinen, ich könnte Tante May dafür hassen, weil sie mich genauso verlässt wie meine Eltern, als sie bei dem Flugzeugabsturz starben?â
Die Stationsschwester nickte. âGenau. Sterben ist schwer für die Betroffenen, aber oftmals noch schwerer für die, die sie lieben. Unseren todkranken Patienten können wir hier die nötige Pflege, medizinische und psychologische Unterstützung angedeihen lassen, die es ihnen ermöglicht, sowohl in körperlicher wie in gefühlsmäÃiger Hinsicht in Würde zu sterben. Aber für die, die in Schmerz und Trauer zurückbleiben, bleibt meist keine oder viel zu wenig Zeit.â
Geraldine warf einen Blick auf das Krankenbett und sagte mit erstickter Stimme: âIch kann es immer noch nicht richtig glauben. Ich war mir so sicher, dass sie wieder gesund werden würde. Sie war immer so stark, so positiv.â
âDann helfen Sie ihr jetzt, auch weiterhin stark zu sein. Helfen Sie ihr, dem Ende ihres Lebens mit dem gleichen Mut zu begegnen.â
Wie durch einen sechsten Sinn alarmiert, schlug Tante May in diesem Moment die Augen auf, hob den Kopf vom Kissen und lächelte Geraldine zu. Geraldines Herz krampfte sich zusammen, als sie sich zum ersten Mal ehrlich und ohne Selbsttäuschung eingestand, wie unendlich schwach und hinfällig ihre Tante tatsächlich war. Wochenlang hatte sie sich über Tante Mays wahren Zustand hinweggetäuscht und ihre Tante gezwungen, ihre noch verbleibenden Kräfte unnötig aufzuzehren, weil Tante May sich aus Liebe und Sorge gedrängt sah, ihr, Geraldine, vorzuspielen, dass es ihr besser gehe. Jetzt verwünschte Geraldine ihren Egoismus und schwor sich, von nun an den Bedürfnissen ihrer Tante den absoluten Vorrang zu geben.
âDu siehst müde ausâ, bemerkte Tante May, als Geraldine sich zu ihr ans Bett setzte.
âDu arbeitest viel zu viel, und die Hypothek ist eine viel zu hohe Belastung, Geraldine. Ich mache mir Vorwürfe â¦â
Immer noch galt ihre ganze Sorge allein ihrer Nichte, wie Geraldine schuldbewusst bemerkte. Impulsiv ergriff sie die zarten, dürren Hände der Kranken und drückte sie beruhigend.
âDas musst du nicht, Tante May. Ich liebe das Cottage genauso sehr wie du, und was die Hypothek betrifft ⦠ich habe jetzt einen Untermieter aufgenommen â¦â Und dann erzählte sie ihrer Tante von Mitch Fletcher, wobei sie allerdings die irrigen Annahmen, die er über sie hegte, nicht erwähnte und überhaupt alles auslieÃ, was den Verdacht hätte erregen können, dass sie mit der getroffenen Vereinbarung nicht glücklich und zufrieden sei.
Wie sehr sie in ihrer gespielten Begeisterung übertrieben hatte, begriff sie erst, als ihre Tante glücklich bemerkte: âAch Geraldine, ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich bin, dass du da drauÃen nicht mehr allein wohnst. Ich weiÃ, dass es altmodisch von mir ist, und vermutlich warst du in London viel gröÃeren Risikenausgesetzt, aber das Cottage liegt so abgeschieden. Es beruhigt mich wirklich sehr, dass jetzt ein so reizender und zuverlässiger Mann mit unter deinem Dach wohnt. Ich habe solche Schuldgefühle, weil du meinetwegen deine Karriere, praktisch alles, aufgegeben hast, und nun â¦â
âNein, das brauchst du nichtâ, fiel Geraldine
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