Wenn die Liebe erwacht
für ein Ungeheuer gehalten?«
»Ja.«
»Und du hältst mich immer noch dafür?«
»Das habe ich nicht gesagt, Mylord.«
»Nein, natürlich nicht, aber ich muß davon ausgehen. Warum sonst solltest du mich immer noch ablehnen? Warum sonst weigerst du dich, wirklich meine Frau zu sein?«
Etwas in seinem Tonfall ließ sie wachsam werden. Was war das für ein Geständnis, das er ihr entlocken wollte? Plötzlich kam sie darauf. Er wollte sie gegen seine Mätresse wüten hören. Wie sehr es seiner Eitelkeit doch geschmeichelt hätte, wenn sie die Rolle der eifersüchtigen Ehefrau gespielt hätte. Diese Befriedigung wollte sie ihm nicht gönnen.
Sie schlug die Augen nieder. »Ich verschmähe dich nicht, Mylord. Warum solltest du das glauben?«
»So, du tust es nicht?« sagte er grob. »Dann bist du also von Natur aus kalt?«
»Vielleicht«, stimmte sie ihm eilfertig zu.
Er wandte sich von ihr ab. »Oder vielleicht liebst du einen anderen?«
»Einen anderen?« erwiderte sie ungläubig, und trotz ihrer Entschiedenheit flackerte ihr Zorn erneut auf. »Wer spricht hier von einem anderen? Ich nehme die Ehe ernst, Mylord, auch, wenn du es nicht tust.«
»Das ist verdammt noch mal nicht wahr, denn wenn du es tätest, hättest du deiner ersten Liebe entsagt und mich akzeptiert. Und jetzt will ich die Wahrheit hören, Weib, damit auch das erledigt ist. Ich bin nicht mehr bereit, diese Zweifel noch länger an mir nagen zu lassen.«
Leonie fiel es schwer zu glauben, was er da sagte. Wie konnte er es wagen, sie anzuklagen, wenn er …
Sie riß sich mühsam zusammen, richtete sich starr auf und sah ihn mit düsteren grauen Augen an. »Wenn du einen Vorwand suchst, um mich fortzuschicken, Mylord, brauchst du dir nicht soviel Mühe zu machen. Ich gehe mit Freuden.«
Seine Augen blitzten auf, ehe sich seine Lippen zu einem unheilverkündenden Strich zusammenzogen. »Das würde dir zweifellos so passen, Frau.«
»Allerdings«, gab sie zurück, und ihr Zorn loderte wieder auf. Er hatte vor, ihrer Beziehung einen ernsten Schaden zuzufügen. Wie leicht doch alles für die Männer war!
Er kam einen Schritt auf sie zu, und sie glaubte schon, daß er sie schlagen würde, weil seine Miene so finster war. Er ragte mit starrem Körper und geballten Fäusten über ihr auf, und seine Augen glühten wie heiße Kohlen.
»Wenn du gehofft hast, du bekämst ihn doch noch, dann hoffst du vergeblich«, krächzte er wütend. »Es mag durchaus sein, daß ich dein eisiges Benehmen eines Tages satt habe und mit dir fertig bin, aber ihn wirst du nie bekommen. Eher bringe ich ihn um!«
»Wen?« rief sie.
»Montigny!«
Leonie war so überrascht, daß sie am liebsten gelacht hätte. Es war ein Pech, daß sie es nicht tat, denn Rolfe sah nur ihr Erstaunen, und das entflammte ihn um so mehr.
»Du dachtest wohl, ich wüßte nicht, daß es dieser junge Tunichtgut war? Ich wußte es schon, ehe ich dich geheiratet habe!«
Leonie versuchte, ihm zu folgen, aber es gelang ihr nicht. So sagte sie einfach: »Du irrst dich, Mylord.«
»Du hast ihn immer geliebt. Deshalb hast du deine Leute auch gegen mich aufgehetzt und dich geweigert, mich zu heiraten. Deshalb haßt du mich immer noch, weil ich dich besitze, während er sich nach dir verzehrt.«
Diesmal lachte Leonie, und jetzt war Rolfe bestürzt. Sie konnte sich nicht zusammenreißen. Er war eifersüchtig auf den armen Alain! Wie absurd!
Sie lächelte ihren Mann an. »Ich habe nicht vor, diese Sache auf die leichte Schulter zu nehmen, denn zweifellos hegst du diesen Verdacht schon seit einiger Zeit. Aber, versteh doch, Alain ist nur ein Freund. Ich habe mir früher einmal vorgestellt, er könnte vielleicht einen guten Ehemann abgeben, aber das ist lange her, und damals war er der einzige junge Mann, den ich kannte, und ich war schon verzweifelt, weil ich dachte, daß ich in meiner Abgeschiedenheit in Pershwick niemals einen Mann bekommen würde. Aber das war nur eine Laune, die ich schnell wieder vergessen habe. Alain ist zu einem Mann herangewachsen, dem es in betrüblichem Maße an Charakter mangelt, und ich wollte später ohnehin keinen Mann mehr haben. Trotzdem wollte ich ihn nicht einfach aufgeben, weil er ein paar schwache Seiten hatte, und daher sind wir Freunde geblieben.«
Rolfe sah sie immer noch finster an. »Du erwartest von mir, daß ich glaube, du hättest deine Leute aus reiner … aus reiner Freundschaft gegen mich aufgebracht?«
»Würdest du nicht für einen Freund in den Krieg
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