Wenn die Liebe erwacht
darauf, zu erfahren, warum Rolfe sie sprechen wollte.
Schließlich waren Laute zu hören, die sein Kommen ankündigten, Leonie entschuldigte sich eilig und zog sich in ihr Zimmer zurück. Sie war schließlich zu der Auffassung gelangt, daß sie Rolfe nicht sehen konnte, ohne vor Zorn überzukochen, und es war undenkbar, es vor ihren eigenen Vasallen dazu kommen zu lassen. In der Sicherheit ihres eigenen Zimmers brauchte sie ihre Gefühle nicht zu verbergen.
Sie hatte jedoch keine Zeit, sich auf das vorzubereiten, was ein regelrechter Kampf zu werden schien. Rolfe kam sofort zu ihr, und zwar so eilig, daß er für die Gäste nicht mehr als einen flüchtigen Moment zur Begrüßung gehabt hatte. Was konnte ein derart ungehöriges Benehmen entschuldigen? Schließlich hatte er die beiden Männer zu sich bestellt.
Leonie zog argwöhnisch die Augenbrauen zusammen. »Du hast mich nicht etwa beschämt, Mylord?«
»Wie das?«
Rolfe warf seinen Helm und seine Handschuhe hin, doch sein Blick wandte sich keinen Moment lang von Leonie ab. Sie blieb vor dem Kamin stehen und erstarrte in dieser Haltung.
»Du hast Sir Bertrand und seinen Sohn holen lassen. Was sollen die beiden davon halten, daß du sie nicht zur Kenntnis nimmst?«
Rolfe grinste und kam auf sie zu. »Ich habe ihnen gesagt, ich sei müde und würde morgen früh mit ihnen reden. Das haben sie verstanden.«
»Wie konntest du das tun?« zischte Leonie. »Du mußt nach unten gehen und jetzt mit ihnen sprechen!«
»Sie haben sich bereits in ihre Zimmer zurückgezogen, Herzchen, und …«
Er verstummte, als Damian das Zimmer betrat. Leonie schluckte ihren Zorn hinunter und drehte sich mit dem Rücken zu ihnen, während er Rolfe mit dem schweren Kettenhemd half.
Der junge Knappe brauchte nicht lange dazu, und wenige Minuten später sagte Rolfe freundlich: »Ab ins Bett mit dir, Junge.«
Damian verließ das Zimmer mit offenem Mund. Er war überrascht, denn so freundlich hatte Rolfe noch nie mit ihm geredet. Es war erstaunlich, wie vollständig die Gegenwart seiner Frau sein Verhalten verändern konnte.
Leonie wartete nur auf das Geräusch, mit dem die Tür geschlossen wurde, bis sie herumwirbelte und bereit war, sich alles von der Seele zu reden. Doch als sie Rolfe in seiner Unterwäsche dastehen sah, verschlug es ihr die Sprache. Die kräftigen Muskeln seiner langen Beine, seine breite Brust – die sie immer wieder verblüffte, weil sie ohne die Rüstung genauso breit war – sein Haar, das sich unbändig lockte, all das zeigte den Mann, und zugleich den Jungen in ihm. Es war ungerecht, daß er einen so gewaltigen Eindruck auf sie machte. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, was sie eigentlich hatte sagen wollen.
»Du hast mich vermißt, Herzchen.«
»Nein, ich habe dich nicht vermißt«, sagte sie steif.
»Lügnerin.« Er war zu ihr getreten, ehe sie zurückweichen konnte. Er hob ihr Kinn hoch und sah ihr in die Augen. Die seinen hatten ein samtiges Braun und waren doch durchdringend. »Du bist böse, weil ich so lange fort war.«
»Es gibt viele Dinge, über die ich böse bin, Mylord, aber das ist keiner meiner Gründe.«
»Du kannst mir deine Gründe morgen aufzählen, Leonie, denn jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt für Zorn.«
Sie versuchte, sich von ihm zu lösen, doch Rolfe zog sie an sich und küßte sie.
»Ich habe dich vermißt, Leonie. Mein Gott, wie sehr ich dich vermißt habe«, rief er aus, als seine Lippen über ihre Wange zu den zarten Konturen ihres Halses glitten.
Sie war verloren. Sie konnte nicht zulassen, daß er ihr das wieder antat, aber ihr Verlangen war bereits entfacht, und das trotz all ihres Elends und ihrer Bitterkeit. »Wenn … wenn du unbedingt eine Frau haben mußt … dann geh zu deiner ander … ich kann nicht …«
»Ich habe keine andere.«
Sie bog sich ihm entgegen und gab nach. Sie konnte nicht gegen ihrer beider Leidenschaft ankämpfen, und für den Moment gab sie den Versuch auf.
38. KAPITEL
Rolfe lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah Thorpe fest in die Augen. Es war immer gut, seinen alten Freund zu Rate zu ziehen. Das Gespräch mit Betrand von Marhill und seinem Sohn Reginald war gut verlaufen. Sie hatten darum gebeten, gleich nach ihrer Zusammenkunft wieder abreisen zu dürfen, da sie selbst Gäste zurückgelassen hatten, um Rolfe zu treffen. Rolfe war sehr zufrieden. Es war so, wie Heinrich gesagt hatte. Bertrand hatte etliche Söhne, die Rolfe gut gebrauchen konnte. Rolfes eigene Männer
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