Wenn die Liebe erwacht
kriegerischer Mann, der meistens in Heerlagern haust – dort dürfte es nicht allzu anders aussehen.«
»Aber was soll das heißen, daß er selten hier ist, Wilda?«
»Seit er Crewel eingenommen hat, sagt Mildred, ist er meist fort gewesen.«
»Was hat dir Mildred sonst noch erzählt?« fragte Leonie, die wußte, daß Wilda nur sehr wenig für sich behalten konnte. – »Es scheint, Mylady«, berichtete Wilda eifrig, »daß der König ihm zwar ganz Kempston gegeben hat, sich ihm aber nur die Tore von Crewel kampflos geöffnet haben, und das auch nur, weil Lord Alain geflohen ist und hier sowieso ein Durcheinander geherrscht hat. Erinnern Sie sich an das Turnier, von dem wir gehört haben?«
»Ja, vage«, erwiderte Leonie verlegen.
»Also, das war nur ein Vorwand, um die Vasallen und Burgvögte von Kempston gleichzeitig an einem Ort zu versammeln, damit sie ihrem neuen Herrscher den Untertanengehorsam schwören.«
»Ich verstehe«, sagte Leonie, »statt einen nach dem anderen zu sich zu bestellen. Ein einzelner Mann könnte sich weigern und in seiner Burg verschanzen.«
»Genau das hat Mildred auch gemeint«, sagte Wilda, die stolz auf die Klugheit ihrer Herrin war. »Und sie sind alle gekommen, aber nicht, um den Schwur abzulegen! Alle sieben haben Sir Rolfe angegriffen und sind dann geflohen.«
Jetzt verstand Leonie, was sie an jenem Tag miterlebt hatte. Sie fand es abscheulich, daß Sir Edmonds Vasallen sich so schäbig verhalten hatten, selbst dann, wenn sie aus Furcht gehandelt hatten. Sie hatten Rolfe nicht einmal eine Chance gegeben, sich zu beweisen.
»Was hat mein Gemahl nach diesem Angriff getan?«
»Er hat alle sieben Burgen belagert.«
»Wie denn … alle sieben? Hat er genügend Männer dafür?«
Wilda zuckte die Achseln. »Wie viele Männer braucht man, um eine Burg zu belagern? Pershwick hat nie …«
»Ich weiß, ich weiß«, fiel ihr Leonie, die ganz in Gedanken versunken war, ungeduldig ins Wort. Sie war überrascht. Es war eine unmögliche Aufgabe, denn man mußte alle sieben Burgen gleichzeitig umzingeln, damit sie sich nicht gegenseitig helfen konnten. Dazu waren gewiß Tausende von Männern erforderlich. Aber wenn ein so großes Heer in der Nähe von Pershwick gelegen hätte, wäre ihr das berichtet worden.
»Bist du sicher, daß du dich nicht verhört hast, Wilda?
Könnte es nicht sein, daß mein Mann nur gegen eine der Burgen von Kempston Krieg führt?«
»Nein, Mylady. Vier der Burgen hat er bereits eingenommen. Wroth wird jetzt belagert, die anderen Burgen sind umzingelt, und die Männer erwarten seine Befehle.«
Leonie wurde klar, was diese Schlachten bedeuteten. »Ich werde in den nächsten Monaten wohl nicht viel von meinem Mann zu sehen bekommen, oder?«
»Das sollte Ihnen eine Beruhigung sein.«
Leonie lächelte, als Wilda sich abwandte, um ihr einen Kittel zu holen. Das Mädchen glaubte, daß sie diese Ehe nach wie vor verabscheute.
»Wilda«, rief sie, »ich will heute mein bestes Kleid anziehen, das Blauseidene, das wir von dem französischen Händler bekommen haben.«
»Aber das tragen Sie doch nur zu besonderen Anlässen. Sie haben sich sogar geweigert …«
»Ich weiß. Ich fand auch nicht, daß meine Hochzeit ein rechter Anlaß war, aber jetzt will ich es tragen.«
Leonie war ungewohnt stumm, als das Mädchen das langärmelige dunkelblaue Kleid zuschnürte. Darüber zog sie den weinfarbenen Überwurf aus spanischer Wolle. Er war an den Seiten geschlitzt, damit man das dunkelblaue Hemd darunter sehen konnte, und die Glockenärmel waren reich bestickt. Es war ein hübscher Überwurf, der sich der Mode entsprechend an ihren Körper schmiegte und dessen Halsausschnitt mit Silberfäden bestickt war. Der Gurt, der lose um die Taille getragen wurde, war aus Silberschnüren geflochten und reichte bis an die Knie.
Leonie flocht ihr Haar nicht, und dichte Locken fielen über ihre Brüste, über denen gewöhnlich Zöpfe hingen. Ein Silberband um ihren Kopf hielt ein kleines Tuch aus weißem Leinen zusammen. Sie vervollständigte ihre Kleidung mit weichen Lederschuhen über blauen Wollstrümpfen.
»Sehe ich aus wie eine Dame, die des Ranges ihres Herrn würdig ist?« fragte Leonie mit einem schelmischen Lächeln.
»Allerdings.« Wilda freute sich, daß sie ihren Teil dazu beigetragen hatte, ihre Herrin so hübsch zurechtzumachen.
»Dann wollen wir uns hier nicht länger verstecken. Wir werden in den nächsten Wochen viel zu tun haben, und daher sollten wir gleich
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