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Wenn Die Nacht Anbricht

Titel: Wenn Die Nacht Anbricht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Erkenntnisse haben. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es sich genau andersherum verhielt. Es erschütterte mich geradezu, wenn ich mir Jonahs Worte immer wieder vor Augen hielt, während ich versuchte, einen Sinn darin zu erkennen, warum diese Frau ihr Baby gerade in unseren Brunnen geworfen hatte.
    Solange ich niemandem Schaden zufügte, spielten getrennte Wege, getrennte Kirchen und getrennte Leben für mich keine große Rolle. Aber diese Männer von Scottsboro hätten meine Meinung vielleicht nicht geteilt, denn sie wurden mit all den Dingen konfrontiert, die mich meist nicht weiter beschäftigten. Doch Tess und ihre Fladen hatten mich etwas verwirrt.
     
    Leta
    Es war schwer zu glauben, dass Dung irgendetwas mit einer Rose zu tun haben könnte. An einem Herbsttag mit starkem Wind fielen die Blütenblätter der Rosensträucher in ihrem zarten Rot auf den Boden, und ich musste sie aufsammeln, ehe ich den Mist darauf verteilte. Manchmal beobachtete mich Tess dabei, wie ich mit der Schubkarre unten bei den Tierställen war, und sie eilte herbei, um die Blütenblätter aufzusammeln, damit sie sie trocknen oder einfach nur in die Luft werfen konnte. Sie liebte sie. Mir bedeuteten sie nicht so viel. Aber wenn ich sie auf dem Boden liegen ließ, würde sich dort schwarzer Schimmel bilden. Also sammelte ich die Blütenblätter ein, ehe ich Schaufel für Schaufel Pferdemist auf der Erde verteilte – der beste Dünger, den es gab. Ich düngte die Rosen zu Beginn des warmen Wetters und am Ende, indem ich schubkarrenweise Mist herbeiholte und ihn dann dick auf dem Boden verstreute, ehe ich ihn unter die Erde mischte.
    Ich zupfte die verblühten Blumen ab und musterte die Pflanzen dann eingehend, um zu sehen, ob es an ihren Zweigen braune Spuren gab. Käfer und Fäulnis drangen leichter in sie ein, wenn Abgestorbenes um sie war. Ich wollte sie nicht übermäßig beschneiden, denn Rosen konnten auch durch zu viel Aufmerksamkeit innerlich verderben – genau wie Kinder. Gewöhnlich kümmerte ich mich immer dann um sie, wenn ich zwischendurch Zeit hatte. Dann sah ich kurz nach, ob es abgestorbene Blätter gab und goss die Büsche vielleicht mit der Gießkanne.
    Aber an den Düngtagen verwöhnte ich mich gemeinsam mit meinen Rosen. Das meiste, was es zu tun gab, musste rasch erledigt werden, doch bei dieser Tätigkeit beeilte ich mich nie. Ich breitete die Schaufeln voller Mist gleichmäßig aus und glättete sie so sorgfältig, als würde ich einen Kuchen backen. Ich betrachtete jede Blüte und jeden Zweig, um sie nach Krankheiten oder Käfern abzusuchen, und ich beugte mich herab, um den Rosenduft einzuatmen. Sie waren alle rot bis auf eine, die dunkelrosa war. Ich hatte mich von Virgie dazu überreden lassen.
    Mein Papa war nie in der Lage, Rosen zu züchten, die nach irgendetwas aussahen. Er hatte sogar mit dem Gemüsegarten seine Probleme. Einmal gelang es ihm, Rettiche heranzuziehen, die so groß wie Orangen waren, dafür aber in der Mitte hohl. Er behauptete, das Problem bestünde in dem schnellen Wuchs der Rettiche. Sie hätten es so eilig gehabt, groß zu werden, dass sie keine Zeit hatten, sich zu füllen. Als junger Mann hatte er in den Gruben gearbeitet, doch als ich auf die Welt kam, war er schon länger nur noch als Farmer tätig gewesen. Man hätte also annehmen können, dass er wusste, was er tat.
    Meine Mutter hatte mit den Rosenbüschen angefangen, indem sie für jeden von uns Geschwistern einen pflanzte. Für mich wählte sie eine rosafarbene Teerose, ehe sie starb, obwohl ich mich nicht daran erinnern kann. Aber der Busch selbst gehörte zu meinen frühesten Erinnerungen. Ich hing so sehr an ihm, dass ich in dem Jahr, in dem ich in die Schule kam, anfing, die abgeschnittenen Zweige in einem Eimer mit Wasser aufzubewahren. Da es meiner älteren Schwester kaum gelang, ihre Rose am Leben zu halten, übernahm ich im Alter von acht oder neun Jahren auch deren Pflege.
    Interessant, dass die Blütenblätter immer kühl waren, selbst wenn sie direktem Sonnenlicht ausgesetzt wurden …
    Damals, als ich noch ein kleines Ding war, mochte ich die Farbe Rosa. Ich war die Jüngste, deshalb kümmerten sich meine Schwestern meist um den Haushalt und ließen mir die Freiheit, mich um die Rosen zu sorgen. Sie verwöhnten mich ein wenig, da ich das Baby der Familie war, und versuchten, mir kaum Arbeit aufzubürden, auch als ich älter wurde. Also hatte ich Jahre, in denen ich mich von morgens bis abends mit meinen

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